Das Zauberer Handbuch
auch meine Gedanken lesen? «
» Unglücklicherweise – ein solches Durcheinander von Gefühlen, Bildern und wirren Ideen habe ich noch selten erlebt. Gut, dass sie dir beibringen werden, wie du das alles für dich behältst. «
» Sie? « , fragte Granock.
» Die Zauberer « , erklärte der Kobold. » Ihretwegen bist du doch hier, oder nicht? «
Granock nickte. Es stimmte, deshalb war er nach Shakara gekommen [ … ] Nach allem, was ihm seit seiner Ankunft widerfahren war, glaubte er allerdings mehr und mehr, dass man ihn nach Strich und Faden verar …
» Ich muss doch sehr bitten! « , fiel ihm der Kobold in seine Gedanken. » Pass auf deine Wortwahl auf! Du bist hier nicht mehr unter Menschen, verstanden? «
Vielleicht täte es uns ja allen ganz gut, so einen Kobold zu haben, der in unseren Gedanken herumkramt und für eine gewisse Hygiene dort sorgt.
Vergangenheit
Was die Vergangenheit unserer Helden betrifft, so ist einmal mehr der Blick auf Joseph Campbell von Nutzen, der im Zuge seiner Forschungen die zentrale Bedeutung des »Jugendexils« für die Mythen dieser Welt entdeckt hat.
Was ist damit gemeint?
Ist euch mal aufgefallen, wie viele Helden – und das nicht nur, aber ganz besonders in der Fantasy – ihre Jugend allein verbringen, als von der Gesellschaft verachtete Außenseiter, in einem gleichsam »exilierten« Zustand, ehe sie ihre wahre Berufung finden? Das Aschenputtel muss bei seiner bösen Stiefmutter und deren missratenen Töchtern leben, ehe es den Prinzen kennenlernen darf, Tom Sawyer fristet bei seiner strengen Tante Polly ein recht glückloses Dasein, ebenso wie die kleine Dorothy, die sich auf ihrer Farm in Kansas ins Wunderland Oz wünscht. Harry Potter muss bei den Dursleys unter der Treppe wohnen, während auf dem fernen Tatooine Luke Skywalker sehnsüchtig dem Untergang der Zwillingssonnen beiwohnt und sich an einen anderen Ort wünscht. Das Beste daran: weder die Brüder Grimm, die den deutschen Märchenschatz gesammelt haben, noch Mark Twain oder L. Frank Baum waren mit den Forschungen Campbells vertraut, die zu ihrer Zeit noch nicht einmal existierten; sie haben sich lediglich von den Motiven leiten lassen, die wir im Sinn von C.G. Jungs »kollektivem Unbewussten« alle in uns tragen und die wir in neuer Variation wieder und wieder erleben wollen.
Auch ich selbst habe das Motiv des Jugendexils schon öfter angewandt, unter ganz verschiedenen Vorzeichen: In DAS BUCH VON ASCALON schlägt sich die Hauptfigur Conn als Dieb in den Straßen von London durch, ehe er – zunächst noch widerwillig – seine »wahre« Berufung als Kreuzfahrer findet. Der Bauer Leffel Gilg lebt in LAND DER MYTHEN am Rand der Gesellschaft, bis man auf den Gedanken verfällt, ihn als das entbehrlichste Mitglied der Dorfgemeinschaft auf die gefahrvolle Reise zum Fürstregenten zu schicken. Und der kleine Mäuserich Marty Flynn aus PIRATTEN! lebt abseits von allem Weltgeschehen auf dem Leuchtturm von Aunty Kabuse, ehe er zum großen Abenteuer aufbricht.
Die dramaturgische Bedeutung des Jugendexils (das sich nicht immer auf die gesamte Jugend des Helden beziehen muss; bisweilen genügt auch eine tief greifende Veränderung, wie z.B. der Umzug an einen anderen Ort wie in TWILIGHT) ist deshalb so grundlegend, weil sie nicht nur die Ausgangsposition der entsprechenden Figur festlegt, sondern auch einen Teil ihrer Motivation. Denn diese »normale« Welt, von der aus der Held zu seinem Abenteuer aufbricht, ist in Schieflage und mit Mängeln behaftet, sei es, dass sie von einer dunklen Macht bedroht wird wie das Auenland in DER HERR DER RINGE oder dass unser Held oder unsere Heldin darin besonderes Unrecht erdulden müssen wie Kieron in den SPLITTERWELTEN. Vielfach ist es so, dass die Hauptfiguren am Ende ihrer Reise im konkreten oder übertragenen Sinn an den Beginn ihres Abenteuers zurückkehren, das sie allerdings in einem durch ihr Zutun veränderten Zustand vorfinden – Campbell nennt das den »mythischen Zirkel«.
Gemeinhin ist die Veränderung natürlich positiver Natur, die Helden sind innerlich gereift und die Bedrohung oftmals besiegt worden. Man kann das Motiv natürlich auch ironisch brechen und durchblicken lassen, dass sich im Grunde doch nicht allzu viel verändert hat – man muss bei solchen Wendungen nur stets bedenken, dass man damit gegen uralte Gepflogenheiten verstößt und den Leser womöglich ein wenig ratlos zurücklässt. In beiden Fällen ist die Vergangenheit
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