Das Zauberschloß
Schreien, Bravorufen und Toben, daß der arme Getäuschte wohl seine Blicke dahin richten mußte, von woher dieser laute Sturm brüllte. Nun merkte er, daß er die ganze Zeit über auf dem Theater gestanden und gehandelt hatte. Er schoß einen wüthenden Blick auf meinen Vater und lief ab, nachdem er im Zorn erst mit dem Kopf gegen die Coulisse gerannt war. Ein ungeheures Schreien: »Herr Freimund heraus!« ertönte aus allen Kehlen. Fächer klatschten, Tücher wehten, Stöcke und Hände und Füße arbeiteten und das wilde, erschreckende Geschrei der lachenden und begeisterten Zuschauer vermehrte sich mit jeder Minute. Betäubt stand Freimund an der Scene, ein Mitspielender faßte ihn an der Hand und führte jenen, der nicht wußte, wie ihm geschah, an das Proscenium, wo der Jubel, das Klatschen und Bravorufen ihn von neuem, wo möglich noch verstärkt, empfing. Mein Vater bereute jetzt den zu weit getriebenen Scherz, und wollte den geängsteten Freund zurückführen, dieser stieß ihn aber mit dem Ausdruck des größten Abscheus von sich und rannte nach seiner Wohnung. Am folgenden Morgen erhielt mein Vater von Freimund jene ansehnliche Summe, um welche sie gewettet hatten, nebst einem kurzen Billet, in welchem statt des vertraulichen Du, welches unter den Freunden geherrscht hatte, das fremdere Sie sich vernehmen ließ. Freimund schrieb, er könne vielleicht als Advokat gegen den Gewinn der Wette Einwendungen machen, da es noch nicht so ausgemacht sei, ob er eigentlich als Comödiant gespielt habe, indessen sei ihm unter jetzigen Umständen dieser Verlust gleichgültig, und er sende ihn daher gern, zugleich schicke er aber auch die bisherige Freundschaft mit, die ihnen Beiden jetzt nur lästig fallen könne. Er ließ sich nicht wieder öffentlich sehen und die Regierung gab seinen dringenden Bitten nach, ihn nach zwei Wochen dorthin zu versetzen, wo er seitdem gelebt hat. Alle Versuche meines Vaters, sich ihm wieder zu nähern, alle seine Bitten, wie die von Befreundeten, sind vergeblich gewesen. Mein Vater war mit seinem ansehnlichen Gewinn, der diesen Verlust nach sich zog, nur sehr wenig zufrieden, das Theater gab ihm keine Freude mehr, welches auch einging, da er es nicht mehr betreten wollte, und so machte mein Vater die traurige Erfahrung, daß auch der heitere Muth sich, trunken und über das Maß hinausgetrieben, am gutmüthigen Freunde eben so versündigen könne, wie Neid, Bosheit und alle finstern Leidenschaften in ihrer Empörung es nur vermögen. Wissen konnte er damals freilich nicht, daß dieser zu weit getriebene Scherz auch die Freude meines Lebens vergiften würde.
Armer Freund! rief Ferdinand nach dieser Erzählung aus. Der Haß des Mannes läßt sich freilich auf diese Weise erklären und auch entschuldigen.
Sie wollten das Zimmer verlassen, als ihnen der Reitknecht des Generals entgegentrat und dem Hauptmann einen Brief überreichte. Schnell löste dieser das Siegel und las zu seinem Erstaunen folgende Zeilen:
»Geliebter Sohn,
Dein Elend geht mir zu Herzen. Kann man unglücklicher seyn, als Du es bist? Und das trostlose Gefühl, daß ich Dir nicht helfen kann, und mich in dieser Hinsicht so ganz ohnmächtig fühlen muß! Was Deinen Wunsch betrifft, Dir das bezeichnete Capital zu übermachen, so bin ich dermalen völlig unfähig, dieses Dein Gesuch zu erfüllen. Ich weiß wohl, und verstehe Dich, wenn Du mir schreibst, daß nach Bezahlung dieser Deiner Schulden Du ein frisches, andres, besseres Leben von vorn anfangen könntest. Weiß ich es doch auch aus meiner Jugend, daß man niemals so viel Credit hat, als wenn man alte, oft bemahnte Schulden endlich abstößt; die vormaligen unhöflichen Gläubiger werden dann plötzlich so artig, daß sie dem noch kürzlich mit Verlegenheit Bittenden die rückgezahlten Summen fast aufdrängen und neue Gelder hinzufügen wollen. Das ist aber alsdann das Gefährliche der neuen Lebensbahn, daß sie nach einem Jahre, kommt vollends Regenwetter und vielfältiges Gewitter oder gar Hagelschlag hinzu, so ausgefahren, unbrauchbar und abscheulich ist, daß die besten Wagen, mit herrlichem Vorspann, in dem Morast stecken bleiben, und der kürzlich Lebensmuthige sich jämmerlicher fühlt, als nur jemals. Das ist eine Ursache von den vielen, aus denen ich Dir, beim besten Willen, kein Geld senden kann, oder möchte, selbst wenn ich es hätte, wie ich es denn nicht habe. Dann habe ich auch noch einige andre Betrachtungen angestellt. Du bist verliebt, zum Sterben,
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