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Das Zauberschloß

Das Zauberschloß

Titel: Das Zauberschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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mit brennendem Eifer auffaßte. Noch nie war ihr ein Mann so interessant gewesen; aber was dem Vater sonderbar auffiel, noch keinem war sie mit dieser schroffen Härte begegnet, wenn das Gespräch sich nur irgend von wissenschaftlichen Gegenständen entfernte und sich dem Tone freundschaftlicher Vertraulichkeit näherte. Der Lord, der über alle Verirrungen der Jugend und des schwärmenden Herzens hinweg zu seyn glaubte, und lange nur eine zarte, innige Liebe für das wunderbare Wesen empfunden hatte, ward durch die Erfahrung überrascht, daß eine brennende, heftige Leidenschaft immer ungestümer erwachte und ihn zu zerstören drohte, und mit solcher Gewalt und Tyrannei über alle Entschlüsse und Vorsätze siegte, wie er selbst in seiner stürmischen Jugend die Kraft der Liebe nicht erfahren hatte. Es war ihm unmöglich, in allen Stunden dieses verzehrende Feuer zu verbergen; aber so wie er nur ein Wort, einen freundlichen Blick wagte, zog sich Florentine verachtend zurück und begegnete allen seinen Gesprächen noch lange nachher mit dem feindseligsten Gemüthe. In einsamen Stunden war der Lord wohl der Verzweiflung hingegeben, weil er es mit der größten Bestimmtheit fühlte, daß sein inneres Wesen schon so mit seiner Leidenschaft und dem herben hochherzigen Wesen Florentinens verwachsen sei, daß eine Trennung von ihr ihm mehr als Tod schien, und doch mußte er alle Hoffnung aufgeben, sie jemals seinen Wünschen geneigt zu machen. Kam es ihm in vielen Augenblicken doch sogar vor, als ginge in der That das Schönste und Eigentümlichste in Florentinen zu Grunde, wenn sie sich entschließen könnte, als Gattin und Mutter in die gewöhnliche Bahn des Lebens zu treten: ihm war in solchen Momenten der Betrachtung, als dürfe er es selbst nicht wünschen. Dann erwachte wieder die ganze Kraft der Leidenschaft, welche ihm sagte, daß sein Gemüth für alle Zukunft hinaus keinen andern Wunsch mehr hegen könne, als nur den, sie zu besitzen. Je klarer, ruhiger sie war, um so verwirrter und aufgeregter fühlte er sich ihr gegenüber. Eine Stimmung, die sich verfinsternd über sein ganzes Sein ausbreitete, machte ihn oft den Tod wünschen, indem er das Leben verachtete und haßte.
    Der Vater, der sein zerrissenes Wesen wohl bemerkte, suchte ihn nicht selten zu trösten. In einer vertraulichen Stunde sagte er dem tiefbekümmerten Lord: Freund, ich leide mit Ihnen, wenn ich sehe, daß Sie sich so verzehren. Auch Ihr Charakter, Alles, was in Ihnen schön und edel ist, muß in dieser Verwirrung zu Grunde gehn. Wüßte ich nur ein Mittel, Sie zu erheitern und zu zerstreuen, oder meinem unglücklichen verwilderten Kinde eine menschlichere Gemüthsstimmung zu geben!
    Wie nur, antwortete der Lord, aus seiner Zerstreuung auffahrend, ist dieses hohe Gemüth, dieser starke Sinn zu dieser Härte und Schroffheit gelangt, die wilder jungfräulich als Diana und Minerva sich zeigt, da diese Bilder doch den höchsten Inbegriff der unverletzten Jungfräulichkeit darstellen sollten?
    Der Vater nahm das Wort: so sehr ich auch durch Jahre der Beobachtung an die Art und Weise meiner Tochter gewöhnt seyn sollte, so erstaune ich doch oft von neuem, wenn ich ihr Wesen betrachte, das ich wohl zu verstehen glaube, das mir aber dennoch immer fremd bleibt. Schon in frühester Jugend war sie sehr ernst, und konnte sich nicht mit Puppen oder anderem kindischen Spielzeug beschäftigen. Auch Bücher, Erzählungen und Gedichte interessirten sie nicht. Durch einen wackern Pfarrer gerieth sie in die mathematischen Wissenschaften. Ihr Studium war unermüdet, und ich, der ich für diese Sachen nicht sonderlich Sinn habe, mußte sie bewundern, denn bald war sie ihrem Lehrer zu gelehrt geworden. Ein Professor aus Edinburg lebte lange in unserem Hause, da er aber, noch nicht alt, zu freundschaftlich und zärtlich wurde, mußte ich ihn auf ihr dringendes Verlangen wieder entfernen. Als der Sinn der reifenden Jungfrau erwachte und sich des Geheimnisses des Lebens bewußt wurde, ward sie so melancholisch, daß ich für ihre Gesundheit oder für ihren Verstand ernsthaft besorgt werden mußte. Es kommt sehr viel darauf an, in welchem Moment, unter welchen Umständen das junge Gemüth über die Bestimmung des Daseins, der Geschlechter und von den Verhältnissen des Lebens unterrichtet wird. Wir sprechen, schreiben so viel über Erziehung, die deutsche Nation soll ganze Bibliotheken darüber besitzen, aber der soll noch geboren werden, der über den sonderbaren Punkt

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