Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Deo gratias!« und Menina rieb sich die geschwollenen Augen. Sie setzte sich auf; sie hasste die Welt und alles und jeden darin. Ihr Kopf schmerzte. Heute war Donnerstag, noch drei Tage bis Ostern. Dann fiel ihr die demütigende Szene vom gestrigen Nachmittag ein und dann war ihr alles egal.
Sor Teresa humpelte flink zur Tür hinaus. Menina trank ihren Kaffee, ohne ihn zu schmecken, und wand sich vor Scham bei dem Gedanken daran, wie sie am Tag zuvor die Beherrschung verloren hatte. Sie konnte es sich nicht leisten, sich noch einmal derart gehen zu lassen. Wie betäubt zog sie sich an.
Eine Stunde später war sie mit Sor Clara unterwegs zur sala grande , als die alte Nonne kurz in der Küche haltmachte und breit grinsend auf ein verblüffendes Etwas zeigte: einen großen Korb voller Fische aus Schokolade. Die Fische waren in Folie eingepackt und der Korb war mit mehreren Lagen regenbogenfarbenem Zellophan umwickelt. Über allem prangte eine riesige Schleife aus bunten, elegant gekräuselten Geschenkbändern. VALOR stand auf dem Etikett.
»Valor ist berühmt, sehr schön, sehr teuer!«, sagte Sor Clara anerkennend. »Hauptmann Fern á ndez Gal á n hat ihn gebracht.«
Menina beäugte den farbenprächtigen Korb misstrauisch. »Warum?«
»Warum? Weil Fische sind christliches Symbol! In Spanien gibt es Schokoladenfische zu Ostern. Leute geben sie als Geschenk, in der Familie, an Freunde.« Sor Clara warf Menina einen listigen Blick zu. »Männer geben an Mädchen. Und hier ist eine kleine Nachricht.« Sie reichte Menina einen Zettel und wartete.
Menina faltete das Stück Papier auseinander, auf dem am oberen Rand » Polic í a « stand. Sie las vor: »Se ñ orita Walker, jedes Jahr zur Semana Santa schickt mir meine Schwester in Saragossa diese Fische, um mich daran zu erinnern, dass ich immer noch ihr kleiner Bruder bin. Bitte nehmen Sie sie für sich und die Schwestern mit Grüßen von mir. – Alejandro Fern á ndez Gal á n«
Normalerweise liebte Menina Schokolade. Nun kniff sie wütend die Lippen zusammen, zerriss die Nachricht in kleine Fetzen und war kurz davor, den Korb auf den Boden zu schleudern und ihn kurz und klein zu stampfen, als sie Sor Claras erschrockene Miene sah. »Sie müssen nehmen«, sagte die Nonne mit ängstlich zitternder Stimme und zeigte auf den Korb. »Bitte, Sie bringen mit. Alejandro sagte, er kommt nachher.«
Oh verdammt! »Warum?« Sie nahm den schweren Korb.
Sor Clara zuckte mit den Schultern und öffnete die Tür zur sala grande . »Ich weiß nicht, warum. Letzte Nacht ist wieder eine seiner Freundinnen hier.« Offenbar arbeitete das Nachrichtensystem der alten Damen auch zur Semana Santa auf Hochtouren. »So viele Freundinnen. Er sollte heiraten. Er ist einsam.«
»Ach, tatsächlich?« Das kam ein wenig schärfer, als Menina es beabsichtigt hatte. Warum gab er die verdammte Schokolade nicht seiner Freundin? Sollte sie doch fett werden! In der sala grande knallte Menina den Korb auf den Boden. Hauptmann Fern á ndez Gal á n war eine Nervensäge! In einem Augenblick war er richtig grob und unhöflich, im nächsten machte er sich Sorgen um die Nonnen, dann wieder entlockte er ihr ihre Geheimnisse und gleich darauf tauchte seine brandneue Freundin auf. Sie hatte die Nase voll vom Hauptmann.
Eigentlich ging ihr alles auf die Nerven, auch die arme Sor Clara und die Wände voller blöder verdreckter Bilder. Und die Tatsache, dass ihr vermutlich nur vier oder fünf Stunden mit gutem Licht blieben, machte sie noch ärgerlicher. Sie betrachtete das Gemälde mit der Menschenmenge und den Dämonen in seinem beschlagenen Silberrahmen und den hellen Fleck an der Wand, wo es gehangen hatte. Sie hatte es gefunden. Na und?
Menina sah sich um, ob ihr auch andere Rahmen ins Auge fielen. Wie es schien, hingen dort vier weitere Bilder im gleichen Format auf gleicher Höhe. Sie trat zu dem Gemälde, das ihr am nächsten hing, und tastete den Rahmen ab. Schwarz, gemustert und schwer. Sie zerrte so heftig daran, dass die Aufhängung riss. Tja, Pech gehabt. Ja, es war der gleiche Silberrahmen, dasselbe Muster. Drei weitere Rahmen dieser Art hingen nebeneinander. Sie hob auch diese Bilder von der Wand und bearbeitete zunächst das erste mit geknetetem Brot. Es war ihr gleichgültig, dass sie dabei nicht besonders vorsichtig zu Werke ging. Im Augenblick hätte sie nicht einmal ein ganzer Stapel verloren geglaubter Rembrandts begeistern können.
Unter dem Schmutz tauchte allmählich eine Gruppe von
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