Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
im Kloster zu bleiben und hier als Nonne zu leben. Waren das auch die Gedanken meiner Mutter, als sie in das Kloster Regina Coeli eintrat?
Es war allerdings kaum Zeit für solche Überlegungen und die Äbtissin schickte uns in unsere Zelle, damit wir uns für die Reise anzogen und unsere Habseligkeiten zusammenpackten. Sor Beatriz zog mich beiseite und ging mit mir ins Skriptorium, wo diese Chronik aufgeschlagen auf ihrem Tisch lag. Sie sagte mir, dass ich die Chronik an mich nehmen und nicht nur einen Bericht über unsere Reise schreiben, sondern auch alles lesen sollte, was darin stand, auch das Evangelium des Ordens, das in lateinischer Sprache auf den mittleren Seiten des Buches steht. Dann würde ich verstehen, warum ich es mit meinem Leben schützen und sichergehen muss, dass es sicher in die richtigen Hände gelangt. Ich schwor, es so zu tun, wie sie es mir auftrug. Dann sagte sie, ich solle gehen und meine Sachen packen, sie wollte noch einen letzten Eintrag machen.
Ich sah Sor Beatriz ein letztes Mal im Skriptorium, als sie das Paket mit dieser Chronik in meine Arme legte. Sie tat es so voller Kummer und Zärtlichkeit, als sei ich ihr Kind. Inzwischen wussten wir, dass das Tribunal angekommen war, ganz plötzlich in der Dunkelheit. Ihre Pferde und Maultiere und Kutschen und Wagen und Diener lösten einen großen Tumult aus, die Glocke läutete unablässig, verängstigte Beatas und Novizinnen und Dienerinnen liefen umher und auf einmal herrschte überall Lärm und Durcheinander.
Die Äbtissin sagte, dem Maler Trist á n Mendoza habe man ein starkes Mittel verabreicht, sodass er wie ein Toter schlafe. Obendrein hätten die Schwestern im Hospital ihn von Kopf bis Fuß bandagiert und ihn unter der Zelle für die Aussätzigen untergebracht, zusammen mit seinen Malutensilien. Das unfertige Portrait von uns Fünfen ist noch nicht trocken; es wurde an einer dunklen Wand im ältesten Teil des Klosters aufgehängt. Vielleicht lassen wir mit diesem Bild ein wenig von uns hier – das ist ein Trost.
Ich hoffe, die Inquisition findet es nicht.
Als Marisol, P í a, Sanchia und ich wieder in ihrem Zimmer versammelt waren, nahm die Äbtissin sich die Medaille ihres Amtes ab und legte sie Sor Emmanuela um den Hals. Die Äbtissin rechnet offenbar mit dem Schlimmsten, sonst würde sie sich nicht davon trennen. Die Schwestern umarmten sich und dann küsste die Äbtissin uns eine nach der anderen, gab uns ihren Segen und öffnete schließlich eine kleine Tür, die hinter einem Wandteppich verborgen war.
Von dem Abtritt, der sich hinter dieser Tür befand, führte ein schmaler dunkler und kaum sichtbarer Gang steil hinunter zu den Kellern, wo die Weinfässer lagern, dann weiter hinunter zu den Abwasserkanälen. Wir tasteten uns vorsichtig die Stufen des engen Ganges hinab, bis wir uns schließlich durch ein schmales Fenster am Fuße des Klosters zwängten, dichte Umhänge überstreiften und zu einem Wagen hasteten, der auf uns wartete. Die Dunkelheit war auf unserer Seite. Die Männer aus dem Dorf hatten bereits unsere Truhen aufgeladen und die Wagenräder gedämpft. Sie halfen uns einzusteigen und dann machten wir uns leise auf den Weg.
Mein Herz blutet für Luz. Ich hatte keine Zeit, mich von ihr zu verabschieden. Was wird sie ohne uns tun? Ohne mich? Und die Äbtissin setzt all ihre Hoffnung darauf, dass Luz vom Tribunal verschont wird, weil sie der Königin ein so schönes Geschenk gemacht hat. Ich mag nicht daran denken, was aus ihnen allen werden wird! In unsere Umhänge gehüllt kauerten wir in dem Wagen und weinten, bis sich am Himmel die Morgenröte zeigte und wir einschliefen.
Wir erwachten schlagartig, als der Wagen anhielt. Wir befürchteten das Schlimmste, doch es war nur der Fahrer, der sagte, wir sollten aussteigen und zu Fuß weitergehen. Einen vollen Wagen zu ziehen ist mühsam für die Maultiere. Die Männer hatten die Anweisung, sich von der Hauptstraße fernzuhalten, und ich konnte einen kaum sichtbaren, mit weißen Steinen markierten Pfad ausmachen, der in den Wald führte.
Unsere Begleiter achteten darauf, dass wir keine Dörfer durchquerten, und wenn sie Schäfer sahen, machten wir einen großen Bogen, damit sie uns nicht entdeckten. Wir schliefen im Freien, deckten uns mit unseren Umhängen zu und ernährten uns von getrockneten Früchten und Hammelfleisch, Mandeln und Käse und tranken das Wasser der Bergquellen. Als wir uns schließlich Sevilla näherten, waren wir froh, wieder im Wagen fahren
Weitere Kostenlose Bücher