Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
der Welt, so als könnte nichts sie berühren! Nun überlegt Folgendes: Ich habe oft gebetet, Gott möge uns einen Künstler schicken, der in der Lage wäre, unser Evangelium zu malen, vielleicht als allegorischen Bilderzyklus. Bisher hat sich kein Künstler als talentiert genug erwiesen oder nicht als so vertrauenswürdig, dass man ihm unsere Geheimnisse anvertrauen könnte. Doch ich glaube, Leid und Reue haben Mendozas Gabe gebändigt, nicht zerstört. Möglicherweise versteht er die Untiefen der menschlichen Natur, doch auf der Suche nach göttlicher Gnade kann er darüber hinaussehen. Und ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass wir das Evangelium hier in Form von Bildern bewahren sollten, auch wenn wir hoffen, einen Weg zu finden, wie wir die Chronik aus dem Kloster in Sicherheit bringen können.«
Trist á n Mendoza sieht schon nicht mehr gar so krank aus und er spricht davon, als Nächstes eine Arbeit für die Kapelle anzufertigen, wenn er mit dem Bild der Mädchen fertig ist. Er hat die Äbtissin gefragt, ob es eine Heilige gibt, die wir zu ehren wünschen. Die Äbtissin hat geantwortet, dass sie einen Plan hat, den sie mit ihm besprechen möchte. Seine Vorahnung, dass ihm nicht viel Zeit bliebe, hat sich als zutreffend erwiesen, jedoch nicht so, wie wir es erwartet hatten, nämlich weil er starb. Bevor das Portrait fertiggestellt war, läutete mitten in der Nacht die Glocke am Tor. Kurz darauf erschien eine schlaftrunkene Beata in meiner Zelle und sagte, die Äbtissin habe einen Boten am locutio empfangen und sie wolle mich sofort sprechen. Ich zog mich schnell an und eilte zu den Räumen der Äbtissin.
Die Äbtissin hielt einen offiziellen Brief in die Höhe. »Das Tribunal wird nächste Woche kommen. Alle Anwesenden im Kloster sollen befragt werden – Nonnen, Novizinnen, Beatas, Diener und nun sogar auch Kinder, die älter als vier Jahre sind. Fr. Ram ó n Jim é nez … Man sagt, er könne einen Ketzer riechen und lasse seinen Prüfern mehr oder minder freie Hand in der Wahl der Mittel, wie sie an Auskünfte gelangen.« Ihre Stimme zitterte.
Die Wände des Raumes schienen sich plötzlich um uns zu schließen. Das Kloster, unsere Zuflucht, war zu unserem Gefängnis geworden, zu einer Falle, einem Grab. In meinen Ohren rauschte das Blut und ich hörte kaum, was die Äbtissin als Nächstes sagte.
»Ich sagte ›Bräute‹, Sor Beatriz.« Die Stimme der Äbtissin war barsch, sie war ärgerlich, weil sie etwas zweimal sagen musste. »Nun verstehe ich, was die Gründerin meinte. Esperanza, Marisol, P í a und Sanchia müssen uns verlassen und Ehemänner in der Neuen Welt suchen! Und die Chronik und die Medaille mitnehmen. Macht Euren letzten Eintrag in die Chronik, dann gebt sie Esperanza. Wir können darauf vertrauen, dass sie sie fortsetzen und dieses Kloster in den Anden suchen wird.«
»Dann wird Esperanza unser Evangelium lesen!«
»Natürlich wird sie das, Sor Beatriz! Das ist ja meine Absicht! Wenn sie es liest, wird sie verstehen, warum sie entscheiden muss, ob es sich bei Las Golondrinas in den Kolonien um unsere Mission handelt, und erst dann übergibt sie die Chronik in ihre Obhut. Aber geht nun, ich wünsche, dass Ihr ein paar Worte des Abschieds schreibt …«
Aus der Chronik der Sors Santas de Jes ú s, Kloster Las Golondrinas, Andalusien, Spanien, Juni 1552
Es ist Mitternacht, doch bis auf die Kinder im Waisenhaus schläft niemand. Bei Sonnenuntergang kam ein Bote aus dem Tal herauf, um die Äbtissin zu warnen. Wie Wölfe, die sich an den Schafpferch anschleichen, so nähert sich das Inquisitionstribunal. Bald wird es hier sein …
KAPITEL 20
Aus der Chronik der Sors Santas de Jes ú s, aus der Feder von Esperanza, Juli 1552
Auf See
Auch nach der wochenlangen Reise nach Sevilla erscheint es immer noch unmöglich, dass Marisol, P í a, Sanchia und ich das Kloster gemeinsam mit Sor Emmanuela verlassen haben. Wir befinden uns auf offener See, unterwegs nach Spanischamerika, zu dem Kloster, das unter dem Namen Las Golondrinas de Los Andes bekannt ist. Ich habe den Auftrag herauszufinden, ob es vor vielen Jahren von einer Gruppe von Nonnen des Ordens der Sors Santas de Jes ú s gegründet wurde. Sor Beatriz und die Äbtissin haben mir eine Liste von Fragen und die Namen der Nonnen mitgegeben und erst, wenn ich mit den Antworten zufrieden bin, darf ich die Chronik und Sor Emmanuela die Medaille aushändigen. Es ist eine große Verantwortung.
Sor Beatriz hat mir von ihrer Tochter,
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