Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Salomé, erzählt. Entweder lebt sie dort als Nonne oder man weiß von ihrem Tod. Sor Beatriz glaubt, dass die Antwort auf diese Frage die Bestätigung bringen wird, ob es sich tatsächlich um das richtige Kloster handelt. Wir sollen jedoch nicht nur das Kloster finden, sondern auch Ehemänner. Ich weiß nicht, welche Aufgabe schwieriger ist.
Die Äbtissin und Sor Beatriz wünschen außerdem, dass ich einen Bericht über unsere Reise verfasse. Sie begann so:
Eines Nachts kam Sor Emmanuela in die Zelle, in der Marisol, P í a und ich schliefen, und sagte, wir sollten sofort zur Äbtissin kommen. Wir zogen uns rasch an und liefen schnell in das Zimmer der Äbtissin, während Sor Emmanuela in den Schlafsaal der Kinder ging, um Sanchia zu holen. Die Äbtissin, Sor Beatriz und einige andere Nonnen standen am Feuer und begutachteten Papiere auf einem Tisch, die das Zeichen der Inquisition trugen. P í a stockte der Atem und sie griff schweigend nach meiner Hand. »Sie kommen!«, rief Marisol.
»So«, flüsterte ich, »wir sitzen also in der Falle! Sie werden uns einer schrecklichen Befragung unterziehen und wenn sie erfahren, wer wir sind, werden sie die Nonnen dafür bestrafen, dass sie uns versteckt haben!«
»Nein, ihr Mädchen werdet das Kloster sofort verlassen«, sagte die Äbtissin, »bevor sie euch finden.«
»Das Kloster verlassen?«, fragte P í a schwach. »Wenn Ihr uns wegschickt, werden sie uns jagen, bis sie unserer habhaft werden. Wir können uns ebensogut noch heute Nacht von den Klippen stürzen!«
Die Äbtissin entgegnete forsch: »Zum Glück, P í a, haben wir einen besseren Plan ersonnen. Ihr werdet noch heute Nacht nach Sevilla aufbrechen und von dort nach Spanischamerika segeln. Einer der Männer aus dem Dorf ist bereits unterwegs, um eure Überfahrt auf dem nächsten Schiff zu arrangieren, und zwei weitere Männer warten darauf, euch nach Sevilla zu bringen. Ihr müsst los, sobald ihr gepackt habt. Sor Emmanuela wird euch begleiten. Vor Jahren wurde in Spanischamerika von Missionarinnen unseres Ordens ein Kloster gegründet. Las Golondrinas des Andes wird euch Schutz gewähren, bis ihr heiratet, und ich bin sicher, dass sie euch helfen, Ehemänner zu finden. Die spanischen Kolonisten haben großen Bedarf an spanischen Ehefrauen, daher werden sie eure Herkunft weniger gründlich erforschen als Männer hier in Spanien. Wir geben jeder von euch eine Mitgift mit.«
»Aber was wird aus Euch, was wird aus Sor Beatriz? Und aus all den anderen?«
»Das folgt allein der Fügung Gottes. Ich hoffe immer noch, dass irgendjemand am Hof Einfluss auf die Untersuchung durch die Inquisition nehmen kann, auch jetzt noch. Wir haben gerade eine dringende Botschaft an die Königin geschickt und sie inständig gebeten zu helfen, in der Hoffnung, dass wir ihr durch Luz’ wunderbares Geschenk in guter Erinnerung sind. Doch wir sind durch unser Gelübde gebunden und werden unsere Pflicht tun, was immer auch geschieht. Und ihr müsst eure Reisevorbereitungen treffen.«
»Sanchia ist erst zehn – sie kann doch sicher noch nicht heiraten.«
»Helft euch gegenseitig, so gut ihr könnt. Die erste von euch, die heiratet, muss sie als ihre Schwester in ihrem Haus aufnehmen und einen Ehemann für sie finden, wenn die Zeit gekommen ist. Nun beeilt euch und packt eure Sachen … Ah, hier ist Sanchia.«
Sanchia rieb sich die Augen. Ihr lockiges Haar war ungekämmt und ihr Kleid nicht zugeknöpft. Normalerweise hüpft und springt sie ruhelos auf und ab, doch mitten in der Nacht war selbst sie zu schläfrig dafür. »Kind, wach auf und hör mir zu. Du machst eine Reise mit Marisol und Esperanza und P í a.« Sanchias Augen weiteten sich angstvoll. »Sind da Soldaten?«, fragte sie mit zittriger Stimme. »Werden sie uns fesseln?«
»Nein, mein Liebes. Ihr geht auf ein Schiff mit Segeln wie Vogelschwingen und ihr werdet auf dem weiten Meer fahren und ein Abenteuer erleben.«
Wir alle waren wie betäubt durch die plötzliche Wendung der Ereignisse und mich überkam große Traurigkeit bei dem Gedanken, dass ich die liebe Sor Beatriz und die Zuflucht des Klosters verlassen musste. Ich liebe unsere ruhigen Tage im Skriptorium, wo es neue Bücher zu entdecken gab, Briefe zu kopieren oder, und das gefiel mir am besten, Informationen für die Schwestern im Hospital zu finden. Ich hatte mein Versprechen, zu heiraten, das ich meinem Vater gegeben hatte, oft bedauert und gedacht, wie schön, wie nützlich und erfüllend es wäre,
Weitere Kostenlose Bücher