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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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und Brot, Öl und ein wenig Wein kaufen zu können. Marisol sah sich alles aufmerksam an und bemerkte, wie interessant doch die Welt außerhalb des Klosters sei.
    Mir war unbehaglich zumute. Für mich bedeuteten die vertrauten Straßen und Türme von Sevilla nur Gefahr. Ich erinnerte mich daran, wie Mar í a und ich entkommen waren, außer uns vor Erleichterung und Wagemut, und fragte mich, ob mein Vormund sich mein gesamtes Vermögen aneignen konnte oder ob die Inquisition es ihm entrissen hatte. Es verging kein Tag, an dem ich nicht voller Liebe und Dankbarkeit an Don Jaime dachte, der meine Flucht eingefädelt hatte, und dafür betete, dass er in Sicherheit war.
    Die Stadt mit ihrem Lärm und ihrem geschäftigen Treiben überwältigte uns. Das Kloster war von Glockenklang, Gebeten und Vogelgezwitscher erfüllt und vom Gemurmel, das aus dem Schulzimmer drang. Am Tag war da die Stille der Bibliothek, bei Nacht hörten wir den Bergwind. Hier am Hafen riefen und fluchten die Matrosen und schrien sich gegenseitig Befehle zu, Soldaten, Priester und Mönche eilten zu zweit oder dritt durch die Gassen, Maultiere brüllten, Peitschen knallten, Lasten wurden auf- oder abgeladen, Segel flatterten im Wind, Männer tranken und grölten und aus den Schatten ertönten schrill die Stimmen von Prostituierten. Immer wieder gaben die anderen Mädchen und auch Sor Emmanuela Ausrufe des Erstaunens von sich, als sie die Schiffe mit ihren hohen Masten sahen, die in den Himmel ragten.
    »Seht nur!«, sagte Marisol plötzlich. »Der Torre del Oro !« Wir reckten den Hals, um den großen Turm zu sehen, der über den Hafen wacht. Es war ein erstaunlicher Anblick, wie er golden in der Nachmittagssonne strahlte. Marisol sagte, er werde »Goldturm« genannt, weil eine Dame mit goldenem Haar dort von König Pedro dem Grausamen, eingesperrt worden war, weil sie ihn nicht liebte. Sor Emmanuela meinte, das sei Unfug – der Name Goldturm stamme von den gelben Kacheln, die das Licht reflektieren. Hinter ihrem Rücken schnitt Marisol eine Grimasse.
    Sor Emmanuela scheuchte uns zwischen den Matrosen so schnell die Laufplanke hoch, dass Marisol stolperte und beinahe in den Fluss gefallen wäre. Sie fluchte leise. Im Bauch des Schiffes, wo es sehr heiß war, sahen wir, dass der Kapitän einen Teil des dunklen Laderaums für uns abgeteilt hatte. Es gab fünf kleine Kojen, die jemand mit ein paar Kissen behaglicher herzurichten versucht hatte. Sie waren nur eine Planke breit und die Kissen füllten alles aus, sodass wir nicht hineinpassten. Sanchia kletterte in die oberste Koje und kicherte, als sie herunterfiel. Bald lachten wir alle, sogar Sor Emmanuela, und überlegten, wie wir uns in dieser Enge am besten einrichten sollten. Dabei beklagten wir vor allem, dass wir keinen Platz für einen Nachttopf hatten.
    Dann brachten Träger unsere Truhen und Bündel. Es schien aussichtslos, irgendwo einen Platz für unsere bescheidenen Truhen zu finden, doch schließlich hatten wir sie untergebracht und stapelten unsere Bündel mit Wäsche für die Reise und unseren Gebetbüchern darauf. Sor Emmanuela hängte ein Kruzifix an einen Nagel, der aus der Wand ragte. Über unseren Köpfen hörten wir die Matrosen rufen, dann Schritte und schließlich ein lautes Poltern, das von der Laufplanke stammte, wie Sor Emmanuela uns sagte. Wir konnten spüren, wie das Schiff begann, den Fluss hinunterzutreiben. Wir fuhren los! Trotz des Lufthauchs, der durch die offene Luke kam, ist es sehr heiß in unserem engen Verschlag, und Marisol wäre liebend gern an Deck gegangen, doch Sor Emmanuela erlaubt es nicht. Marisol schmollt.
    Wir haben gemeinsam unser Abendgebet gesprochen, haben ein wenig hartes Brot und getrocknetes Fleisch gegessen und versuchen nun, genug Platz zu finden, um uns hinlegen zu können. Doch die Aufregung und die drückende Hitze halten uns wach.
     
    An den heißen hellen Abenden auf See wickelte ich die Chronik aus ihren Lagen aus geölter Wolle und las das Evangelium in lateinischer Sprache. Nun trage ich eine weitere Last gefährlichen Wissens, das, wenn man es logisch betrachtet, jede Rechtfertigung für die Verfolgung von Juden und Muslimen durch die Christen zunichtemacht und das bezeugt, woran wir gemeinsam glauben. Und ich kann dieses Wissen nicht mehr in mir auslöschen. Es brennt in meinen Gedanken wie die Flammen, in die die Inquisition mich werfen würde, die Flammen, die vor so langer Zeit diese armen Leute vor meinen Augen verbrannten.
    Das

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