Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
richtig herum und wedelte mit den Fingern ihrer linken Hand vor Beckys Augen. Die Abendsonne schien durch die Bäume in den Wintergarten und ließ den Diamantring kleine Funken an die Wand malen.
»Oh, Kind des Lichts !«, rief Becky und beugte sich auf ihrem Liegestuhl vor. »Der ist ja herrlich! Hat Theo ihn ausgesucht oder hat Mutter Bonner ihn mit der Nase darauf gestoßen?«
»Theo hat ihn ausgesucht. Er meint, Saphire passen zu meinen Augen. Ist das nicht süß? Aber ›Mutter Bonner‹ – also wirklich!« Menina lachte. »Unter uns gesagt: Mutter Machiavelli würde eher passen! Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie wirklich ist, bis ich sie besser kennengelernt habe. Weißt du noch, dass sie letztes Jahr in diesem Artikel in der Vogue vorgestellt wurde? In dem es um Frauen ging, die ›Altes Geld des Südens, neue Politik des Südens und die Macht hinter dem Thron‹ darstellen? Diese Frau ist Politikerin durch und durch.«
Becky biss in einen Zuckerkeks. »Warum verzichtet sie nicht einfach auf den Mittelsmann und kandidiert selbst für ein Amt?«
»Ach, weißt du, sie kann ganz schnell auf liebes Frauchen umschalten. Dann redet sie davon, dass Politik Männersache ist, aber ich glaube, dass ihr das Strippenziehen Spaß macht, diese Fundraising-Dinner und all diese Dinge. Dass sich die Bonners vor Kontakten in der Politik kaum retten können, das haben sie ihr zu verdanken. Ich weiß sowieso nicht, ob Theo wirklich den Ehrgeiz hat, in die Politik zu gehen. Er redet davon, aber er hat ja gerade erst seine Anwaltsprüfung bestanden. Er möchte ein paar Jahre in der Rechtsberatungsstelle arbeiten.«
»Theo als Freund der Armen? Und wo wir gerade bei Armut sind: Habt ihr vor, von dem zu leben, was er da verdient? Du wirst dir eine Arbeit suchen müssen, oder?«
»Nun, viel ist es nicht, was er in der Rechtsberatung verdient. Aber Pauline hat mich zum Mittagessen eingeladen, nachdem wir uns Weihnachten verlobt haben, und sie hat mir gesagt, dass wir etwas aus Theos Treuhandfond bekommen. Sieh mich nicht so an! Ich habe Pläne, natürlich werde ich mir eine Stelle suchen! Aber es wäre trotzdem eine Hilfe, wenn ich nicht Vollzeit arbeiten müsste, solange ich an meiner Abschlussarbeit schreibe.«
»Du gehst auf ein Junior College und musst praktisch eine Doktorarbeit abliefern. Also ehrlich!«
Menina nickte. »Ja, so schwer hatte ich mir das nicht vorgestellt, als ich mich beworben habe.« Ihr Stipendium war großzügig bemessen – Holly Hill war teuer, hatte dafür aber auch kleine Klassen und gut ausgestattete Ateliers zu bieten, und das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Lehrern und Studentinnen war hervorragend. Das Stipendium war allerdings an eine Bedingung geknüpft, die viele Bewerberinnen abschreckte. Es war zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts von einer ehemaligen Schülerin von Holly Hill, einer Kunstliebhaberin, gestiftet worden. Sie wollte die »Damen« am Holly Hill ermutigen, einen Beitrag zur Wissenschaft der Kunstgeschichte zu leisten, ohne dabei einen unschicklichen Konkurrenzkampf mit Männern aufzunehmen. Die Stipendiatinnen verpflichteten sich, nach dem Abschluss ihrer Ausbildung eine Abhandlung zu einem neuen kunsthistorischen Thema ihrer Wahl zu schreiben. Das Stipendium sah sogar zusätzliche Gelder für Reisen vor, wenn sie für die Forschungen nötig sein sollten. Holly Hill besorgte die Veröffentlichung dieser Arbeiten, die damit der gesamten akademischen Welt zugänglich wurden. Der Haken an der Sache war die Strafklausel: Falls eine Stipendiatin ihre Arbeit nicht innerhalb eines Jahres nach dem Ende ihres Studiums in Holly Hill ablieferte, war sie von Rechts wegen dazu verpflichtet, das Stipendium zurückzuzahlen.
Als Menina ihren Eltern begeistert berichtete, dass sie das Stipendium bekommen würde, hatte sie diese Bedingung nicht erwähnt, und dabei war es bisher geblieben.
»Ja, diese Arbeit hält mich ganz schön auf Trab«, sagte Menina, »doch wenn ich sie hinter mir habe, mache ich meinen Abschluss an der University of Georgia. Und dann vielleicht einen Graduiertenkurs. Ich mag Kunstgeschichte wirklich und am liebsten würde ich irgendwann in einem Museum arbeiten. Wir werden sehen. Wir werden alle Hände voll zu tun haben mit Seminaren, einem Teilzeitjob, Essen kochen und all diesen Dingen, aber Theo ist ziemlich beschäftigt, also werde ich Zeit haben. Wir haben in der Nähe der Uni ein paar tolle Wohnungen gesehen, in der Gegend mit den
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