Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Mutter schier verrückt, weil sie ständig in die Bibliothek entwischte, wenn sie eigentlich irgendetwas erledigen sollte, das mit der Hochzeit zusammenhing. Bisher hatte sie erst ein Buch aufspüren können, in dem Tristán Mendoza erwähnt wurde. Er war um das Jahr 1487 in Andalusien zur Welt gekommen, hatte in Italien studiert und war dann nach Spanien zurückgekehrt. Dort war er als Maler sehr erfolgreich, bis er sich plötzlich vom Königshof zurückzog. Nicht etwa, weil er gestorben war – in einem späteren Bericht aus dieser Zeit war die Rede von »dem großen Künstler Mendoza, nun ein armer Pilger und elender Bettelmönch«.
Der einzige weitere Beweis dafür, dass er nicht während seiner Zeit als Maler bei Hof gestorben war, war ein signiertes Werk aus dieser späteren Phase, das Dokumenten zufolge in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg in England aufgetaucht war. Es zeigte eine Frau mit einem Umhang und war von Mendoza signiert. Unter der Signatur war wie immer der kleine Vogel zu sehen. Ein wohlhabender englischer Sammler hatte das Bild bei einer Auktion bei Sotheby ’ s ersteigert, doch leider existierte es nicht mehr. Während der deutschen Fliegerangriffe auf England hatte eine Bombe das Haus des Sammlers in Mayfair zerstört. Nach dem Krieg fand man unter den Papieren, die der Mann in seinem Landhaus aufbewahrt hatte, eine Liste, auf der das Inventar seines Londoner Hauses verzeichnet war. Unter anderem wurde seine Kunstsammlung aufgeführt, zu der das Gemälde einer »unbekannten heiligen Frau, eine seltene späte Arbeit von Tristán Mendoza« gehörte.
Das Buch, das Menina gefunden hatte, erwähnte, dass sich möglicherweise weitere Werke von Mendoza in privaten Sammlungen in Spanien befänden, wenn sie nicht während des spanischen Bürgerkrieges in den 1930er Jahren geplündert oder zerstört worden waren. Seine einzigen bekannten Bilder hingen jedoch im Prado. Menina fand das ausgesprochen praktisch und wenn man im Prado etwas über Privatsammlungen wusste, würden sich sicher Kontakte herstellen lassen.
Menina hatte vor, Theo am darauffolgenden Wochenende wegen der Reise nach Madrid zu fragen. Die Bonners gaben eine besondere Dinnerparty und Theo meinte, es sei wichtig, dass sie beide daran teilnahmen.
Als er sie am Abend der Party abholte, war sie gespannt und aufgeregt. Pauline hatte angerufen und ihr gesagt, dass unter den Gästen nicht nur der Gouverneur und seine Frau, eine Angehörige des Landesparlaments, sein würden, sondern auch einige wichtige und einflussreiche Wahlkampfspender. Menina hatte sich ein neues Kleid gekauft, in dem sie sich ganz mondän vorkam. Es war schwarz, hatte einen tiefen runden Ausschnitt und einen Rock mit kecken Rüschen. Dazu trug sie Sarah-Lynns Perlen, das Haar fiel ihr locker auf die Schultern und an ihrer linken Hand funkelte ihr Verlobungsring. Sie gab ihren Eltern einen Abschiedskuss und dann machte sie sich Hand in Hand mit Theo auf den Weg.
Während der Autofahrt schien Theo in Gedanken vertieft zu sein und um das Schweigen auszufüllen, plauderte Menina über ihre Pläne, nach Madrid zu fahren. Er murmelte etwas davon, dass er zu viel zu tun habe.
Zu viel zu tun? Zu viel für die Flitterwochen oder für eine Reise nach Spanien? Sie holte tief Luft und machte sich klar, dass die Bedingungen, die an ihr Stipendium geknüpft waren, ihr Problem waren, nicht seins. Außerdem war sie diejenige, die sich für die Schwalbe interessierte, nicht er. Sie würde ganz vernünftig sein. »Oh, ist schon okay. Ich verstehe. Ich kann das auch alleine machen, dann fahre ich eben später hin. Das Stipendium deckt die Reisekosten.«
Theo unterbrach sie. »Bei dem Dinner heute Abend stehen wir beide im Rampenlicht.« Er nahm eine Hand vom Steuer und legte sie ihr aufs Knie. »Wir hatten nicht erwartet, dass so schnell Bewegung in die Sache kommt. Tubby Gaines, der seit Ewigkeiten im Landesparlament sitzt, will sich nach der nächsten Legislaturperiode zur Ruhe setzen – und damit eröffnet sich für mich eine Möglichkeit einzusteigen. Heute Abend geht es um die Strategien im Vorfeld des Wahlkampfes. Der wichtigste Punkt ist, dass mich die Wähler als verantwortungsbewussten Bürger sehen, nicht als Sohn reicher Eltern. Wenn ich gewählt werde, ebnen mir ein paar Legislaturperioden im Landesparlament möglicherweise den Weg für einen Sitz im Senat. Was meinst du? Ganz schön aufregend, oder? Tatsächlich hängt heute Abend alles von dir ab.«
»Von mir
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