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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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gewesen, um ihr genau das zu sagen. Becky fand Theo nett und ganz sicher auch attraktiv und Menina schien sehr verliebt zu sein, doch sie war noch nie mit jemand anderem zusammen gewesen, was wusste sie also von Männern? Außerdem hatten Becky und Menina immer vorgehabt, nach dem College gemeinsam zu reisen und die Welt kennenzulernen. Becky hoffte ehrlich gesagt, dass ihre Freundin nicht als Hausfrau enden würde, auch wenn sie natürlich eine reiche Hausfrau wäre. Menina war einfach zu klug dafür. Es waren nicht nur ihre guten Schulnoten, nein, sie war klug, weil sie sich Gedanken machte. Sie dachte wirklich über Dinge nach. Menina war der einzige Mensch, den Becky kannte, der das Zeug zum Gelehrten hatte – so war sie einfach.
    Als treue Freundin hatte Becky jedoch zugestimmt, bei der Hochzeit im Juni Meninas Trauzeugin zu sein. Nun, drei Monate vor dem großen Ereignis, war sie extra vom College nach Hause gekommen, um ihr Kleid für die Trauung auszusuchen. Die beiden jungen Frauen lümmelten auf Liegestühlen im Wintergarten der Walkers, tranken Eistee und aßen Kekse. Mit seinen abgenutzten Rattanmöbeln, sonnengebleichten Kissen und Stapeln von alten Zeitschriften strahlte der Raum eine gemütliche Schäbigkeit aus. Der Wintergarten war das Spielzimmer für Menina und Becky gewesen, seit die Taliaferros in das Haus neben den Walkers gezogen waren. Der siebenjährige Wirbelwind Becky hatte irgendwann genug davon, die Katze zu ärgern, Umzugskartons aufzureißen und ihre Mutter in den Wahnsinn zu treiben, und war über den Zaun geklettert, um sich mit der siebenjährigen Menina anzufreunden. Es dauerte nicht lange, da waren die freche, lebhafte, blonde Becky und die zurückhaltende, dunkelhaarige, wohlerzogene Menina unzertrennlich. Sie waren immer zusammen, entweder in dem einen oder dem anderen Haus. Die Taliaferros nannten Menina bald nicht mehr »dieses nette Mädchen der Walkers«, sondern gaben ihr den Spitznamen »Kind des Lichts«, weil sich Becky, die es faustdick hinter den Ohren hatte, in Meninas Beisein geradezu engelhaft benahm.
    Im Wintergarten hatten sie sich als Kinder aus Klapptischen und Decken Zelte gebaut und an Regentagen Picknicks veranstaltet, mit zwölf hockten sie heimlich über einem verbotenen Ouija-Brett und in der Highschool-Zeit schoben sie die Klapptische beiseite, um genügend Platz für ihre Cheerleaderproben zu haben. In ihrem Abschlussjahr saßen sie an den Tischen und füllten gemeinsam ihre Bewerbungen für einen Platz am College aus. Damals hatte Becky ihre Freundin damit aufgezogen, dass Holly Hill ein langweiliger alter Kasten sei, während Menina ihrerseits stichelte, dass sie angesichts Beckys Vorfreude auf ein hektisches Studentenleben an der University of Georgia und die Aufnahme in einer Studentenverbindung mit Hunderten anderer Studentinnen die schlimmsten Befürchtungen hegte.
    Keine von beiden hätte sich vorstellen können, wie schnell ihre Entscheidungen sie in unterschiedliche Richtungen führen würden. Während Menina kurz vor ihrer Hochzeit mit Theo stand, hatte Becky die Gelegenheit genutzt und war flügge geworden. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass sie ihr Studium als Erzieherin abbrechen und einen Platz an der Grady School of Journalism bekommen würde, dem Institut für Journalistik an der University of Georgia. Wenn sie zwischen zwei Männerbekanntschaften gerade Zeit dazu hatte, arbeitete sie dort mit überraschender Ernsthaftigkeit an einer Karriere als Auslandskorrespondentin, wie Marie Colvin und Christiane Amanpour. Damit man sie mit ihrem hübschen Gesicht, ihren großen blauen Augen und ihren blonden Locken für voll nahm, hatte sie sich einen goldenen Nasenstecker und eine Tätowierung auf der Schulter zugelegt und trug die Motorradjacke ihres aktuellen Freundes. All das, vom Journalismus bis zur Lederjacke, brachte ihre Mutter auf die Palme.
    Nun saßen die Freundinnen wieder einmal an ihrem Lieblingsplatz und es schien vollkommen unmöglich, über so erwachsene Dinge wie Hochzeiten und Berufswünsche zu sprechen. Sie fragten sich, wie sie so schnell in diese Phase ihres Lebens geraten waren. Dann sagte Menina: »Du hast das hier noch gar nicht gesehen. Schau mal. Ist er nicht wunderschön?« und verscheuchte damit die Gespenster ihrer Kindheit. Sie hatte ihren Verlobungsring – ein großer, von Saphiren flankierter Diamant – mit dem Stein nach innen gedreht, um ihre Freundin damit zu überraschen. Nun drehte sie ihn

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