Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
meine Hände schmerzen, sodass ich manchmal gar nicht schreiben kann. Wenn ich doch nur eine passende Schülerin oder Helferin unter den Novizinnen finden könnte! Doch diese Arbeit ist mühevoll und jenen, die genügend Geduld aufbrächten, fehlt eine gute und klare Handschrift, während jene, die schön schreiben, zu ungeduldig sind .
August 1527
Es sind bereits vier Jahre ins Land gegangen, doch wann immer die Glocke am Klostertor läutet, halten wir in unserer Arbeit oder unserem Gebet inne und hoffen, dass nun endlich ein Bote mit einem Brief von unserer Mission gekommen ist. In diesem Sommer hat die Glocke oft geläutet, doch es waren Pilger und Kranke, die am Tor standen. Es heißt, dass die Pest in die Städte zurückgekehrt sei, und es kommen viele reumütige Pilger, die fürchten, die Krankheit sei Gottes Strafe für ihre Schlechtigkeit. Die Unterkünfte für die Männer und auch für die Frauen sind mehr als voll und wir beten, dass die meisten von ihnen genesen, bevor die Straßen nicht mehr passierbar sind und wir über den Winter viele zusätzliche Münder zu stopfen haben. Es ist Erntezeit und alle arbeiten hart von früh bis spät. Die Äbtissin arbeitet so schwer wie die jüngeren Nonnen. Sie pflegt die Kranken im Hospital und gestern war sie dabei, Zwiebeln und Knoblauch zu sammeln und in den Kellergewölben auf Stroh zu legen und unsere letzten Pfirsiche, die noch nicht ganz reif sind, in Honig einzulegen. Doch sie bekam Atemnot und wir überredeten sie schließlich, diese Arbeit anderen zu überlassen.
Juni 1530
Wir müssen die Hoffnung für unsere Mission vollends aufgeben. Jedes Jahr im Frühjahr schickt die Äbtissin Männer aus dem Dorf in den Hafen von Sevilla, um unter den Schiffskapitänen herumzufragen, was sie von Gran Canaria und einem Kloster dort wissen, das zum Orden der Heiligen Schwestern Jesu gehört. Doch obwohl viele Seeleute Gran Canaria kennen, hat niemand unseren Boten etwas zu berichten. Sie sagen, dass unsere Frauen sehr wahrscheinlich von Piraten gefangen wurden oder bei einem Schiffsunglück ertrunken sind. Das ganze Kloster betrauert ihren Verlust.
Oktober 1538
Gestern kam ein Pilger, der behauptete, er sei Künstler und werde uns unsere Gastfreundschaft ganz gewiss mit einem Gemälde vergelten. Aus Erfahrung wissen wir, was das bedeutet: Er hat vor, lange Zeit hierzubleiben, denn diese Gemälde brauchen immer viel Zeit. Die Äbtissin stöhnte, dass die große Zahl der reumütigen Künstler, die ihre Arbeiten dem Kloster vermachen, wahrhaft wundersam sei – sie alle müssten ein sehr verruchtes Leben führen. Und da die Gemälde meist fürchterlich sind, sind wir es, die büßen müssen. Die Äbtissin sagt, dass Salomé bei ihrem Anblick in lautes Gelächter ausbrechen würde. Dennoch meint sie, dass sie alle irgendwo aufgehängt werden müssen. Einige landen schließlich an den Wänden der sala grande , doch die meisten werden in die finstersten und ältesten Gänge verbannt. Die Äbtissin besteht darauf, dass im Besuchsraum nur Portraits hängen dürfen, und da es davon nur wenige gibt, bleibt ihr das Schlimmste erspart.
März 1539
Der süße Duft der polvor ó nes erfüllt das Kloster bei Tag und bei Nacht. Der Hof hat eine große Anzahl für die Semana Santa bestellt und wohlhabende Familien folgen seinem Beispiel. Alle Schwestern und Beatas wechseln sich beim Backen ab und die Küchenmägde sind rund um die Uhr damit beschäftigt, den Ofen zu heizen. Ich helfe in der Küche, so oft es geht. Wenigstens ist es am Ofen warm, auch wenn das Stehen meinen Rücken schmerzen lässt.
September 1539
Die Schwalben haben ihre Reise gen Süden angetreten. Bald wird es Winter. Meine Hände werden steif und ich habe oftmals Schwierigkeiten, die Feder zu halten. Ich denke oft über meine Sünden nach und es fällt mir auf, wie grau alles ist – die Wolken, das Wetter, das sterbende Licht des Herbstes.
Frühjahr 1540
Wieder naht die Osterzeit, die langen dunklen Tage der Fastenzeit neigen sich dem Ende entgegen, Schnee schmilzt und obwohl es sehr kalt ist, wärmt die Sonne im Kreuzgang die Knochen der älteren Nonnen, wie ich eine bin. Derweil wartet das Kloster darauf, dass der warme Wind die Schwalben aus Afrika zurückbringt. Der Äbtissin ging es diesen Winter nicht gut, sie verbrachte die meiste Zeit in einem Sessel vor ihrem locutio . Ich arbeite vormittags im Skriptorium und helfe ihr nachmittags bei den alltäglichen Angelegenheiten des Klosters. Die
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