Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
hier gefangen hielt. Doch sie fragte sich, ob Sor Teresa andeuten wollte, dass er ein ›Dirty Cop‹ war, der sich bestechen ließ? In diesem gottverlassenen Nest? Von wem? Und wofür?
»Ich bin ärgerlich, als Alejandro Sie ins Kloster bringt«, fuhr Sor Teresa fort. »Ich denke, hier ist wieder ein schlechtes Mädchen. Aber als Sie sprechen, klingen Sie nicht wie die anderen Mädchen. Und so sage ich Ja, weil ich mit den Ohren sehe.«
Dieser plötzliche Gedankensprung ließ Menina den Kopf schütteln. Inzwischen waren sie in Meninas winzigem Zimmer angekommen, in dem ein Tablett mit Brot, Käse, Oliven und einer Orange stand. Dazu gab es eine Karaffe Rotwein. Wein zum Mittagessen! Unvorstellbar! Sie überlegte, was sie tun konnte, um nicht für den Rest des Tages hier festzusitzen. Es war ein wenig klaustrophobisch. Als Sor Teresa sich zum Gehen wandte, fragte Menina: »Gibt es hier einen Balkon oder eine Terrasse, wo ich an der frischen Luft sein kann? Sagten Sie nicht etwas von einem jard í n de peregrinos ?«
»Kein Balkon«, meinte Sor Teresa. »Ah! Aber ja! Pilgergarten. Kommen Sie schnell, ich zeige Ihnen jetzt«, sagte sie dann und huschte einen weiteren Gang hinunter, der enger und dunkler war als die anderen. Die Wände waren kahl bis auf einige Rahmen, in denen verblichene Holzschnitte zu stecken schienen. Die Decke war niedriger und es stank nach moderndem Holz, Schimmel, feuchtem Putz und kleinen toten Tieren. Die Fliesen, auf denen sie dahineilten, waren zerbrochen und staubig und knirschten unter ihren Füßen. »Ist alter Teil von Kloster.«
Was Sie nicht sagen, dachte Menina und passte auf, wo sie hintrat.
Vor einer hohen Holztür blieben sie stehen. Sor Teresa stellte sich auf die Zehenspitzen und mühte sich vergeblich mit einem rostigen Riegel ab, bis Menina »Lassen Sie mich mal« sagte und ihn schließlich aufschob.
Die Tür ließ sich halb aufschieben und blieb, nur an einer Türangel hängend, schief und unverrückbar offen stehen. Licht strömte in den dunklen Gang. Draußen erwies sich das, was zunächst wie ein Urwald aussah, bei näherem Hinsehen als ein kleiner umschlossener Garten, dessen hinterer Teil an eine Felswand grenzte und der mit Rosen, Jasmin und Unkraut überwuchert war. Einige verkrüppelte Orangenbäume blühten in dem Dickicht und Menina konnte eine verwitterte Statue erkennen, die in einer bogenförmigen Nische hoch oben in der Felswand stand.
»Niemand benutzt seit langer Zeit«, sagte Sor Teresa. Sie zeigte auf ein bemoostes muschelförmiges Alabasterbecken, das unterhalb der Statue in den Felsen eingelassen war. »Ist eine Quelle.« Leises Plätschern war zu hören.
Wasser? Menina hatte Durst. Aus der rostigen Pumpe im Badezimmer kam seltsam braunes Wasser, das sie nicht zu trinken wagte, doch wenn dieses Wasser sauber war, konnte sie vielleicht ihre Plastikflasche vom Flughafen füllen. »Kann man es trinken?«
»Natürlich, ist aus dem Berg, ist sauber. Viele Brunnen hier – ich weiß nicht, wie viele – und Quellen. Immer Kloster hat Wasser aus dem Berg. Früher wir hatten Eimer, war sehr schwer zu tragen. Aber dann wir modernisieren, Pumpen ist leichter«, sagte Sor Teresa selbstzufrieden. »Garten war für Frauenpilger«, erklärte sie dann. »Hier zu sitzen, ist ruhig, kann beten und meditieren. Heilige Bücher lesen. Ist besonderer Ort. Ist gut hier zu sein, glaube ich.«
Menina konnte sehen, dass es eine Weile her sein musste, seit jemand einen Fuß in diesen Miniaturdschungel gesetzt hatte, und sie hoffte, dass sie im hohen Unkraut nicht über die Gebeine eines lange vermissten Pilgers stolpern würde, doch zumindest konnte sie hier an der frischen Luft sein. An drei Seiten war eine umlaufende Marmorbank, auf der sie sitzen konnte. Sie legte einen schmalen Trampelpfad zu der Bank an und bahnte sich einen Weg zu dem Brunnen. Zum Glück hatte sie schwere Schuhe an. Ihr Fotoapparat war in ihrem Koffer gewesen, sodass sie keine Fotos machen konnte, doch sie beschloss, den Garten zu zeichnen und ihren Eltern das Bild in der nächsten Woche von Madrid aus zu schicken.
Während sie durch den Garten trampelte und überlegte, war Sor Teresa verschwunden. Menina holte ihre leere Wasserflasche und füllte sie an dem dünnen Strahl unter der Statue. Sie hielt die Flasche hoch und betrachtete das Wasser, doch es war vollkommen klar. Keine undefinierbaren Teilchen schwammen darin herum. Auf jeden Fall konnte sie keine Amöben entdecken. »Also, dann …«,
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