Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
unterscheidet sich merklich von den üblichen Mahnungen, wir mögen uns vor Lust und Völlerei und Faulheit hüten und uns streng an die Klausurregel halten, auf dass wir unbefleckt von der Welt und ihren Lastern seien … Dieser Brief teilte uns mit, dass man Kenntnis über den Bastard eines morisco habe, dem das Kloster Unterschlupf gewähre wie der Apfel dem Wurm. Das Heilige Offizium werde einen Ermittler schicken, der ihre Identität feststellen und jene bestrafen werde, die für ihre Anwesenheit verantwortlich seien. Die Äbtissin hat Anweisung, mit Nachforschungen zu beginnen und so mögliche Verdächtige herauszusuchen, die dann von den Ermittlern eingehender befragt werden würden.
Ich sagte, dass mein Vater unter den Dienerinnen des Klosters eine Zuträgerin gefunden haben müsse, wenngleich keine besonders schlaue. »Wie dankbar sollten wir sein, dass Salomé nicht mehr hier ist. Und sie ist mit dem besonderen Segen des Bischofs abgereist! Ich kann also wahrheitsgetreu antworten, dass wir hier keine Kinder eines morisco haben«, sagte die Äbtissin.
Als sie mich verließ, dankte ich dem Allmächtigen dafür, dass Salomé von der Überprüfung durch die Inquisition verschont bleibt, und bereute, dass ich sie vermisst hatte. Gott ist groß.
September 1524
Deo gratias , die Ermittler der Inquisition sind nicht zu uns gekommen. Wir hatten grauenhafte Geschichten über ihre gnadenlose Suche nach Ketzern in anderen Klöstern gehört und wussten, dass man ganz gewiss einige aus unserem Orden mitgenommen hätte, um das Schicksal der Nonnen in den Zellen der Inquisition zu teilen. Der Grund für unsere Gnadenfrist ist das Ausbrechen einer schrecklichen Krankheit, die sich mit Husten und Fieber, schmerzenden Gelenken und einem brennenden Hautausschlag in rasender Eile erst in unserem Hospital und dann im Waisenhaus verbreitet hat. Die ältesten Patienten und die jüngsten Kinder hat es besonders getroffen. Dann wurden auch viele der Schwestern krank, die die Patienten im Hospital gepflegt hatten, und zwei der älteren Nonnen, die sich angesteckt hatten, starben. Die Äbtissin ließ mich einen Brief schreiben, in dem ich das Heilige Offizium warnte, dass sich viele Männer in den Pilgerhäusern angesteckt hätten. Die Krankheit führe bei Männern zu schrecklichem Leiden an ihren Geschlechtsteilen und während sie einige mit Blindheit schlage, befreie sie andere von fleischlichen Gelüsten, da sie keinerlei Hoffnung mehr hätten, sich diesen Gelüsten hinzugeben.
Wir erhielten die Antwort, dass Gott diese Geißel gewiss als Strafe für unsere Sünden über das Kloster geschickt habe, dass aber der Ermittler seinen Besuch vorerst verschieben würde.
Die Sorge um so viele Kranke hat uns unseren Garten vernachlässigen lassen und die Ernte ist schlecht. Wir fürchten den Winter. Die guten Abenzucars haben uns Oliven, getrocknete Feigen und Datteln geschickt, dazu Öl aus ihrer Ernte, eine Gabe, die in diesem Winter für viele den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten wird. Zwei kleine Zwillingsmädchen sind angekommen, sehr hübsche Kinder im Alter von zwei Jahren, fein gekleidet in Seide und Edelsteine, wie Kurtisanen. Ihre doppelte Mitgift wird uns helfen, im Frühjahr Zutaten für unsere polvor ó nes zu erstehen, doch, oh – ihre arme Mutter! Sich von einem Kind zu trennen muss furchtbaren Schmerz bedeuten. Sich von zweien zu trennen muss wie der Tod selbst sein.
In der sala grande fand die Feier zur Professablegung von zwei unserer älteren Waisenmädchen statt, während ein weiteres Waisenmädchen die Gelegenheit beim Schopf ergriff und während der Feierlichkeiten mit einem jungen Mann aus dem Dorf davonlief und einen großen Skandal entfachte. Wir können nicht herausfinden, wie sich die jungen Leute treffen und einen solchen Plan aushecken konnten, da die Mädchen das Kloster nicht verlassen dürfen. Und dennoch wünscht mein Herz ihnen Glück.
Keine Nachricht aus Gran Canaria. Ich bete täglich, stündlich für unsere Mission und für Salomé.
Mai 1526
Nun ist das Wetter sehr warm und unsere Ziegen- und Schafherden sind in diesem Jahr stark gewachsen. Ihre Glocken läuten, wenn sie grasen. Es ist ein schöner Klang. Die Schwalben singen wieder an ihren Dachüberständen. Doch die Chronik – wie auch meine andere Arbeit – liegt brach. Seit Salomé fort ist, flammt in meinem lahmen Bein immer wieder eine Entzündung auf und hindert mich daran, lange Zeit an meinem Schreibpult zu sitzen. Und
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