Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
allen geeignet, die Schreiberin des neuen Hauses zu sein, und ich brauche Euch nicht zu sagen, wie sehr das geschriebene Wort dazu beigetragen hat, den Orden seit Jahrhunderten in schwesterlicher Einheit zusammenzuhalten. Nun wird es uns über die Meere hinweg zusammenhalten. Ich werde sie nicht ohne Eure Zustimmung wegschicken, doch auch Ihr habt ihren Gesichtsausdruck gesehen, wenn wir über die Mission sprechen.«
Das hatte ich. Nun wurde der Raum um mich herum dunkel und in meiner Brust zog sich etwas zusammen, sodass ich nicht atmen konnte. Wie plötzlich sich das Leben ändern kann! Ich bemühte mich mit aller Kraft, weise und klug zu sein und nicht an mich selbst zu denken. Ich wusste, dass Salomé nicht nur bereit war, der Äbtissin zu gehorchen, sie war begierig, die Fahrt anzutreten, obwohl sie versuchte, es vor mir zu verbergen. Die Äbtissin wartete schweigend, sie drängte mich nicht, doch meine Pflicht war klar. Der Orden hatte mir und meinem Kind Zuflucht und Frieden geboten, als ich dachte, es gäbe weder Zuflucht noch Frieden in der Welt. Und nun war es an der Zeit, dem Orden als Dank dafür etwas zu geben und zugleich meiner Tochter zu erlauben, die einzige Chance auf ein Leben außerhalb der Klostermauern zu ergreifen, die sie je haben würde. Sie ist fast achtzehn und sollte ihr Gelübde im kommenden Jahr ablegen. Ich spürte eine Vorahnung, dass ich sie nie in ihrer Nonnentracht sehen würde.
Ich fasste all meinen Mut zusammen und stimmte zu. Kurz darauf kam Salomé ins Skriptorium gelaufen, außer Atem vor Aufregung. »Oh Mutter! Die Äbtissin sagt, Ihr habt Eure Erlaubnis gegeben! Ich sehne mich so danach zu fahren, doch dann bricht mir das Herz bei dem Gedanken, Euch zu verlassen!«
Ich versicherte ihr, dass Gott über uns wachen und uns in unseren Gebeten vereinigen würde, und dann wiederholte ich, was die Äbtissin über die Aufzeichnungen gesagt hatte, die Salomé machen würde. Sie schlang mir die Arme um den Hals und versprach atemlos, dass sie über alles berichten wollte, was sie sah und erlebte. »Ich kann kaum glauben, dass ich die Schreiberin sein soll, Mutter! Und die Äbtissin hat gesagt, dass Ihr mit der nächsten Gruppe von Nonnen nachkommen werdet, sobald alles vorbereitet ist. Und meine Profess lege ich erst ab, wenn Ihr dabei seid. Wir werden nicht lange voneinander getrennt sein. Nur so lange, bis wir unser neues Kloster für alte Nonnen hergerichtet und einen Pfad für ihre Sänften freigelegt haben, die armen alten Schätzchen!«, fügte Salomé spitzbübisch hinzu. »Doch ich werde meine Pflichten gewissenhaft erfüllen. Ihr werdet stolz auf mich sein. Und von Gran Canaria kommen und gehen die Schiffe, also kann ich Briefe ans Kloster schicken und über alles berichten, was wir tun, und Ihr werdet sie so unterhaltsam finden, dass Ihr wünscht, ich wäre schon früher gefahren!« Bei dem Gedanken, mich zu verlassen, kamen ihr die Tränen. In den darauffolgenden Tagen war sie in einem Zustand großer Aufregung und ihre Stimmung wechselte ständig zwischen Vorfreude und Trauer.
So erging es allen im Kloster, von den Dienerinnen bis zu den ältesten Nonnen. Dennoch wurden Listen zusammengestellt, Anweisungen diktiert, Kisten gepackt, ausgeleert und wieder neu gepackt.
Allzu bald war alles bereit. In der Nacht vor ihrer Abreise nahm die Äbtissin den zwölf Frauen die Beichte ab. Nach einer schlaflosen Nacht wurde am nächsten Morgen eine besondere Messe gelesen, dann folgte ein rasches Frühstück, das kaum eine von uns anrühren konnte. Unsere Nerven waren aufs Äußerste gespannt.
Der Priester, der während der Messe eingeschlafen war, wurde wachgerüttelt, um einen wohlwollenden Brief des Bischofs vorzulesen, der unsere Unternehmung guthieß, den Heiden auf Gran Canaria das Wort Gottes zu bringen und so die muslimischen Ungläubigen daran zu hindern, das Gift ihres Glaubens zu verbreiten. Als über den Bergen der Tag anbrach, setzten sich die Kutschen in Richtung Sevilla in Bewegung. Salomé hob den Ledervorhang und winkte, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
Das Kloster und mein Herz fühlen sich leer an, doch Salomé wird schreiben, wenn sie ankommen, und wir alle freuen uns auf ihre Briefe und die Nachrichten über unsere Mission. In den Monaten, die auf ihre Abreise folgten, klammerte ich mich an diesen Gedanken.
Juli 1524
Aus Gran Canaria hat uns keine Nachricht erreicht, doch die Äbtissin hat einen unheilvollen Brief vom Heiligen Offizium erhalten. Er
Weitere Kostenlose Bücher