Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
hell hier drinnen. Ich kann nicht viel erkennen.« Sor Teresa hatte den Kopf gedreht, wie um sich das Bild anzusehen, doch ihr Blick ging zu weit nach links. So als könnte sie überhaupt nicht sehen. Dann erkannte Menina, was ihr bisher nicht aufgefallen war: Die Augen der Nonne waren mit einem Schleier überzogen, die Hornhaut war trüb. Menina wedelte mit einer Hand vor Sor Teresas Gesicht hin und her. Wieder blinzelte die Nonne, ihr Blick folgte Meninas Hand jedoch nicht. Das arme alte Ding, dachte Menina.
»Sor Teresa, Sie können nichts sehen, nicht wahr?«
»Gott hat meine Augen getrübt, damit meine Seele besser sieht«, erwiderte Sor Teresa barsch. »Und ich kann hören. Ich sehe, was ich höre.«
»Wie finden Sie sich im Kloster zurecht, wenn Sie nicht sehen können?«
»Oh, das Kloster … Ich bin hier so viele Jahre, ich erinnere mich an alles aus Zeit, als ich noch sehen konnte. Nun leitet Gott meine Schritte. Und bei all Ihrem Geplauder vergesse ich, dass Sie Besuch haben. Kommen Sie.« Und damit war die Diskussion um ihr Augenlicht endgültig beendet.
»Fantastisch! Meine Eltern haben sich an das amerikanische Konsulat gewandt.« Menina stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Hauptmann Fern á ndez Gal á n muss irgendwo ein funktionierendes Telefon aufgetrieben haben.«
»Ja, ist Alejandro. Er ist Besucher.«
»Oh.« Mist! »Warum?«
»Sie fragen ihn. Kommen Sie zum locutio , dort können Sie reden.«
»Zum was?«
»Nonnen können das Kloster nicht verlassen. Wenn Leute besuchen, müssen sie mit den Nonnen durch das locutio sprechen.« Sie wies auf die Wand aus dicken Eisenstangen. »Alejandro sitzt auf der anderen Seite, Sie sitzen auf dieser Seite«, befahl Sor Teresa. »Ist abgeschlossen. Also kann nichts passieren. Ha! Ist etwas Neues für Alejandro!«
»Und ich dachte, es könnte hier nicht mehr seltsamer werden«, murmelte Menina. »Ich hatte ja keine Ahnung.«
Sie hörte Schritte und der Hauptmann zog auf der anderen Seite den Vorhang zurück. »Guten Morgen, Miis Walker. Ich hoffe, Sie haben Ihre Nächte im Kloster überlebt.«
»Hi. Ja. Es ist komisch, sich durch Eisenstangen hindurch zu unterhalten. Wie im Gefängnis.«
»Verstehe. Ist nicht das Ritz, aber was wichtig ist: Das Gitter ist stark. Vertrauen Sie mir. Warum ich Sie hierher bringe, ist nicht verrückt, und warum Sie hierbleiben sollten, ist nicht verrückt. Ich erkläre später, jetzt habe ich es eilig. Ich wollte nur fragen, warum sagt mir Sor Teresa, suche ein Menge Brot und bringe es her, für Menina. Ich denke, sie kann nicht solchen Hunger haben!«
»Das Brot ist für die Gemälde – Sie hätten Sor Teresa wegen der Bilder um Erlaubnis bitten sollen. Sie war furchtbar wütend, als sie merkte, dass ich mich hier umsah. Sie dachte, ich wollte die Bilder stehlen. Genauer gesagt, dachte sie, ich würde Sie beschuldigen, mich dazu angestiftet zu haben.«
»Ich habe versucht, sie zu fragen! Aber Sie haben ja gesehen, wie sie mir das Tor vor der Nase zugeschlagen hat.«
»Ja, nun, egal. Sie hatten recht, es sind eine Menge Gemälde hier und Sor Teresa hat mir erlaubt, sie mir anzusehen. Ich habe ihr gleich gesagt, dass alles, was vielversprechender aussieht, von einem Experten geprüft werden muss, aber die meisten Bilder sind so schmutzig, dass man sowieso nichts erkennen kann. Altbackenes Brot ist eine alte Methode, sie zu reinigen. Es ist nicht ideal, aber etwas anderes fällt mir im Augenblick nicht ein. Ich nehme nur genügend Schmutz von der Oberfläche ab, um einen ungefähren Eindruck zu bekommen. Ich versuche, sehr vorsichtig zu sein, damit die Leinwand nicht beschädigt wird oder die Farbe abblättert.
Die Bilder in den Gängen scheinen mir wertlos zu sein, aber Sor Clara sagt, dass in den Räumen der Äbtissin Portraits hängen«, fuhr Menina fort. »Dort bin ich gerade beschäftigt, und in der sala grande gibt es noch mehr. Ich habe irgendwo gelesen, dass Klöster im Spanischen Bürgerkrieg geplündert wurden – kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, nicht wahr? In den 1930er Jahren. Ist dieses Kloster geplündert worden? Es ist zwar ziemlich chaotisch im Kloster, aber nach randalierenden Horden sieht es nicht aus. Vielleicht sind die Gemälde, die vor dem Krieg hier hingen, immer noch da.«
Auf der anderen Seite der Gitterstäbe nickte Alejandro. »Sie haben recht, es wurde nicht geplündert«, meinte er. »Ungewöhnlich. In anderen Teilen Spaniens wurden Klöster und Kirchen von den Republikanern
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