Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
hatten. Sie erinnerte sich daran, wie traurig sie gewesen waren, als sie davon sprachen; offenbar war das Kloster, kurz nachdem Menina es verlassen hatte, von einer Meute von Revolutionären angegriffen worden. Dabei wurden einige der Nonnen getötet.
Davon abgesehen kamen Klöster bei den Südlichen Baptisten einfach nicht vor. Erst als sie sich in Holly Hill mit der Renaissance beschäftigte, erfuhr sie mehr über Klöster – dass Nonnen Schulen und Krankenhäuser leiteten, Grundbesitz verwalteten und sogar fromme Theaterstücke für Zuschauergruppen aufführten, die hinter dem locutio saßen. Nonnen mit guten Kontakten hatten sogar einen Einfluss auf die Politik. Sie gaben Kunstwerke und Musikstücke in Auftrag; manche Klöster waren wichtige Kunstmäzene. Sie stellten eine wichtige Kraft in der Gesellschaft dar, auch wenn sie gewissermaßen ein Leben parallel zur Welt führten.
Plötzlich fiel ihr auf, dass sie vor lauter Sorge um alle möglichen anderen Dinge gar nicht mehr an Theo gedacht hatte. Das letzte Mal war gestern vor dem Mittagessen gewesen, als sie mit dem Bus unterwegs war. Während sie so im Pilgergarten saß, abgeschnitten vom Rest der Welt, holte Menina tief Luft und stieß vorsichtig an die schrecklichen Erinnerungen, so wie man mit der Zunge einen schmerzenden Zahn anstößt, um zu sehen, wie schlecht es sich anfühlte. Es war nicht weg, doch für den Augenblick fühlte sie sich ruhig und sicher. Sie wollte den Zauber dieses Augenblicks nicht stören, saß einfach da und blickte zu den Sternen hinauf, bis die Sänger müde wurden und der Gesang verstummte. Sie wusste, dass sie versuchen sollte zu schlafen. Sie stand auf und streckte sich, tastete nach den Streichhölzern und zündete den Kerzenrest hinter seinem Glasschirm an. Ein leises Rascheln war zu hören – ein Zweig, den ein Windhauch streifte, ein Salamander oder vielleicht eine Maus. Sie hielt die Kerze hoch, konnte aber nichts sehen. »Gute Nacht«, sagte sie in die Dunkelheit.
KAPITEL 11
Kloster Las Golondrinas, Spanien, Frühjahr 2000
Menina zog sich das dünne Kissen über den Kopf, doch der Lärm hörte nicht auf. Im Gegenteil: Er kam unerbittlich näher und wurde lauter. »Deo gratias!« , rief ihr Sor Teresa mit durchdringender Stimme ins Ohr und stellte das Frühstückstablett mit lautem Gepolter auf den Tisch. Menina zwang sich, sich aufzusetzen, und strich sich die Haare aus den Augen.
»Hi«, murmelte sie benommen und versuchte, sich zu erinnern, wo um alles in der Welt sie war, welcher Wochentag es war und was diesen entsetzlichen Krawall veranstaltete. »Gracias!« Sie schob sich hoch. Dienstag. Heute war Dienstag. Und der Chor der Vögel vor ihrem Fenster legte sich mächtig ins Zeug.
»Gut, jetzt sind Sie wach, also sage ich Ihnen, dass Sie gehen in einer Stunde, nach der Messe«, sagte Sor Teresa, »mit Sor Clara in das Zimmer der Äbtissin, nach Gemälden suchen. Ich muss gehen und öffnen das Tor zur Kapelle, Leute hereinlassen für Messe.« Sor Teresa hastete davon.
»Okay, s í . Toll. Danke.« Menina rieb sich den Schlaf aus den Augen und rief sich in Erinnerung, wo sie war. Sie sank an die Wand zurück, trank ihren Kaffee und aß das Mandelbrot, so langsam sie konnte, um so lange wie möglich etwas davon zu haben. Dann schnappte sie sich Handtuch und Zahnpasta und ging den Gang hinunter ins Badezimmer. Das war das Erste, was sie tun würde, sobald sie in die Zivilisation zurückkehrte: Sie würde sehr lange sehr heiß duschen!
Als Sor Clara kam, griff Menina sich einen Notizblock und einen Kugelschreiber und folgte der kleinen Nonne kreuz und quer durch das Gewirr an Gängen, bis sie den Brunnen im Kreuzgang hören konnten. Sor Clara führte sie durch die Kolonnaden zu dem Eingang, durch den Menina auch am Tag zuvor gegangen war, und dann waren sie wieder im dämmrigen Besuchsraum. Allmählich fand sich Menina in diesem Labyrinth von einem Kloster zurecht.
Sor Clara zupfte sie am Arm und deutete auf einen großen Korb mit Brotstücken. »Alejandro. Pobres pollos! Arme Hühner!« Sie kicherte.
Zum Arbeiten brauchte Menina Licht. »Ich kann nichts sehen«, sagte sie auf Spanisch.
»Ah«, sagte Sor Clara und blickte sie überrascht an. »Ist dunkel für Sie?« Mit unsicheren Schritten ging sie zur gegenüberliegenden Wand und zerrte an einer schweren Stoffbahn, die wie ein Vorhang aussah. In dem Sonnenstrahl, der sich ins Zimmer stahl, tanzten Staubkörner. Sor Clara nieste.
»Perfekt«, sagte Menina
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