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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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Dienstherrin unter der Sonne. Sie trägt den Dornengürtel unter ihrem Kleid, um ihren Leib zu kasteien, und der Schmerz drängt sie, den Leib anderer Menschen zu kasteien. Bei dem geringsten Anlass sorgt sie dafür, dass ihre Diener unbarmherzig geschlagen werden, vor allem die jungen. Weil die Schläge besonders gut für ihre Seele sind, sagt sie. Sie gibt uns kaum zu essen und dann bestraft sie uns, wenn wir einen Bissen stehlen, weil wir so hungrig sind. Ich sehne mich nach den Bergen und nach meiner Mutter und einem Jungen … den ich versprochen hatte zu heiraten, bevor mein Vater mich als Dienerin verkauft hat. Ich muss in mein Dorf zurück, sonst vergisst er mich noch und heiratet eine andere.«
    »Aber wie sollen wir hier herauskommen? Und wohin?«
    »Ich sage Euch, wie wir’s machen. Ihr und ich, wir verkleiden uns als Burschen und schlagen uns in die Berge durch. Dort gibt es ein Kloster, nicht weit von meinem Dorf – Frauen und Mädchen gehen zu den Nonnen, wenn sie geschlagen oder schlecht behandelt werden. Um die Frauen zurückzubekommen, müssen die Männer der Äbtissin etwas geben, als Unterpfand für ihr gutes Betragen. Männer fürchten und achten das Kloster, in unserem Dorf behandeln sie Frauen besser, als Männer es normalerweise tun. Die Nonnen werden Euch vor Don C é sar verstecken.«
    Die Gouvernante, die in diesem Moment zurückkehrte, hörte die Worte »Don C é sar«. Wütenden Schrittes durchquerte sie das Zimmer, gab Mar í a eine schallenden Ohrfeige, weil sie geschwatzt hatte, und jagte sie davon.
    Eine Flucht schien unmöglich. Bei dem Gedanken daran brach Esperanza in verzweifeltes Weinen aus, doch nach einer Weile trocknete sie sich die Tränen mit dem Betttuch. Sie hatte versprochen, sich den Entscheidungen ihres Vormunds zu beugen, doch ihr Vater hätte niemals gewünscht, dass sie Don C é sar heiratete. In ihrer misslichen Lage hatte sie keine Wahl. Sie musste Don Jaime vertrauen. Und sie musste zuversichtlich sein, sonst würde ihre Hochzeit stattfinden, sobald sie herausfanden, dass sie aus dem Bett aufstehen konnte.
    Wenn ihre Gouvernante oder die Frau ihres Vormunds ihn nicht an sich genommen hatten, dann hatte sie noch einen geheimen Vorrat an goldenen reales in einem versteckten Fach in der geschnitzten Kleidertruhe aus Zedernholz, die sie aus dem Haus ihres Vaters mitgebracht hatte. Als es ihrer Gouvernante in jener Nacht zu langweilig wurde, weiter am Krankenbett zu wachen, und sie das Zimmer verließ, stand Esperanza, die sich schlafend gestellt hatte, leise auf und wühlte in ihrer Truhe. Der Beutel mit den reales war noch da. Sie nahm ihn mit in ihr Bett. Von dieser Nacht an wartete sie, bis ihre Gouvernante sie allein ließ, dann schlüpfte sie aus dem Bett und ging so lange im Zimmer auf und ab, bis sie sie zurückkehren hörte. Sie versuchte, wieder zu Kräften zu kommen; es ging ihr besser, doch sie hielt ihre Genesung geheim und lag tagsüber weiterhin schwach und leidend da.
    Eines Tages im späten Frühjahr flüsterte Mar í a ihr zu: »Der Sommer ist die einzige Zeit, in der wir in die Berge reisen können, und wir müssen bald aufbrechen. Ich bringe Euch einen neuen Nachttopf, den ich unter Eurem Bett verstecke. Von nun an müsst Ihr das Schlafmittel dort hineinschütten, das die Frau Eures Vormunds Euch bringt. Ich hole den Nachttopf jeden Tag und bewahre den Schlaftrunk auf. In der Nacht, in der wir uns auf den Weg machen, mische ich ihn in den Wein der Gouvernante, wenn ich ihr das Abendessen bringe. Und auch dem Wächter am Tor gebe ich ein Schlafmittel, er grabscht immer nach mir und zerrt an meinem Mieder! Ich werde ihn anlächeln und sein Weinglas auffüllen, und mein Mieder schnüre ich auf, dann denkt er, ich würde mich erweichen lassen. Dann verkleiden wir uns als Jungen …«
    »Als Pagen? Aber mein Page ist sehr klein und ich bin …«
    »Nein, Dummkopf! Als Küchenjungen! Wenn Ihr mir etwas für unseren Küchenjungen gebt, wird er sich von seinen zerlumpten Kleidern trennen – er ist so groß wie Ihr. Ich warne Euch, sie stinken, aber umso besser. Und da Euer Haar sowieso schon kurz ist, müsst Ihr Euch nur das Gesicht und die Hände schmutzig machen …« Sie blickten beide auf Esperanzas Hände. Weiß und schmal, mit rosafarbenen Fingernägeln. »Reibt Euch Ruß auf die Hände und unter die Fingernägel. So wie Eure Hände jetzt aussehen, würden wir sofort auffliegen, auch wenn wir verkleidet sind«, meinte Mar í a. »Und wir brauchen

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