Das Zeichen der Vier
Dampfkahn mieten.«
»Herrje, Sir! Es ist ja eben der Dampfkahn, mit dem er weg ist. Das ist es ja, was ich nicht versteh, weil ich nämlich weiß, daß da nicht mehr Kohlen drin sind, als wo er braucht, um nach Woolwich oder so und zurück zu kommen. Wenn er mit dem Schleppkahn losgefahren war, würd ich mir nichts weiter bei denken; war nämlich nicht das erste Mal, daß er damit bis nach Gravesend fahren muß, und wenn’s da viel zu tun gibt, könnt er wohl über Nacht geblieben sein. Aber was kann man schon mit ‘nem Dampfkahn ohne Kohlen anfangen?«
»Es könnte ja sein, daß er bei einem Landeplatz weiter unten am Fluß Nachschub gekauft hat.«
»Möglich wär’s schon, Sir, aber ähnlich sehen tät’s ihm nicht. Ich hab ihn oft genug über die Preise wettern hören, die sie dort unten für ‘n paar lumpige Säcke voll verlangen. Und überhaupt, ich kann den Kerl mit dem Holzbein nicht ausstehn, mit seinem häßlichen Gesicht und dem fremdländischen Geschwafel. Ich weiß wirklich nicht, was der hier ständig rumzuschnüffeln hatte.«
»Ein Mann mit einem Holzbein?« fragte Holmes mit höflichem Erstaunen.
»Ja, Sir, ein dunkelhäutiger Kerl mit einem Affengesicht, wo manches Mal bei meinem Alten reingeschaut hat. Der hat ihn gestern nacht aus’m Bett geholt, und, was der Sache die Krone aufsetzt, mein Mann hat gewußt, daß er kommt, weil er nämlich den Kahn unter Dampf gesetzt hat. Ich sag’s Ihnen gradheraus, Sir, die Sache gefällt mir nicht.«
»Aber meine gute Mrs. Smith«, entgegnete Holmes mit einem Schulterzucken, »Sie ängstigen sich wegen nichts und wieder nichts. Wie wollen Sie denn wissen, daß es dieser Mann mit dem Holzbein war, der in der Nacht hier gewesen ist? Ich verstehe nicht ganz, wie Sie sich dessen so sicher sein können.«
»Seine Stimme, Sir; ich hab seine Stimme erkannt, die ist irgendwie belegt und rauchig. Er hat ans Fenster geklopft – das muß so um drei rum gewesen sein. ›Raus aus den Federn, Kamerad‹, ruft er, ›höchste Zeit zum Wacheschieben!‹ Mein Alter hat den Jim geweckt – das ist unser Ältester –, und schon warn se weg, und zu mir kein einziges Wort. Ich hab noch das Holzbein gehört, wie es gegen die Steine gekloppt hat.«
»War dieser Mann mit dem Holzbein allein?«
»Dafür könnt ich die Hand nicht ins Feuer legen, Sir. Aber ich hab kein andern nicht gehört.«
»Das ist wirklich schade, Mrs. Smith, denn ich brauchte einen Dampfkahn, und ich habe nur Gutes von der – ach, wie heißt sie doch gleich …?«
»
Aurora,
Sir.«
»Aber ja. Ist sie nicht so ein alter grüner Kahn mit einem gelben Streifen und einem mächtig breiten Rumpf?«
»Nein, weit gefehlt. Sie werden auf dem ganzen Fluß nicht so ein wendiges kleines Ding wie sie finden. Sie ist erst frisch gestrichen worden, schwarz mit zwei roten Streifen.«
»Vielen Dank. Ich hoffe, Sie hören bald etwas von Mr. Smith. Ich habe vor, flußabwärts zu reisen, und falls ich auf die
Aurora
stoßen sollte, werde ich ihm ausrichten, daß Sie sich um ihn sorgen. Ein schwarzer Schornstein, sagten Sie?«
»Nein, Sir, schwarz mit einem weißen Band.«
»Aber ja, natürlich; es waren die Seiten, die schwarz sind. Nun denn, einen guten Morgen, Mrs. Smith. Kommen Sie, Watson, da drüben ist ein Fährmann mit seinem Boot. Wir wollen uns damit ans andere Ufer übersetzen lassen.«
»Das Wichtigste im Verkehr mit Leuten dieser Art«, sagte Holmes, als wir im Vorderteil der Fähre Platz genommen hatten, »ist, ihnen niemals den Eindruck zu vermitteln, daß ihre Auskünfte auch nur den geringsten Wert für einen haben könnten. Sonst sind sie gleich verschlossen wie die Austern. Hört man ihnen jedoch scheinbar widerwillig zu, so erfährt man mit größter Wahrscheinlichkeit, was man wissen will.«
»Unser weiteres Vorgehen scheint jetzt so ziemlich auf der Hand zu liegen«, sagte ich.
»Nun denn, was schlagen Sie vor?«
»Ich würde einen Kahn mieten und die
Aurora
den Fluß hinab verfolgen.«
»Mein lieber Freund, das wäre ein kolossales Unterfangen. Sie kann an jedem beliebigen Kai zwischen hier und Greenwich, am rechten ebensogut wie am linken Ufer, angelegt haben. Unterhalb der Brücke erstreckt sich über Meilen hinweg ein wahres Labyrinth von Landeplätzen. Es würde Tage, wenn nicht Wochen in Anspruch nehmen, sie alle abzusuchen, wenn wir uns allein daran wagen wollten.«
»Dann müssen wir halt die Polizei einschalten.«
»Nein, ich werde Athelney Jones voraussichtlich erst im
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