Das Zeichen Des Dunklen Gottes
es einmal um die eigene Achse und rissen einige Matrosen mit in die aufgewühlte, eiskalte See.
Der Mund der Kapitänin verzog sich zu einem dünnen Strich, die Lippen waren schon lange blau vor Kälte, das Meerwasser tropfte überall von ihren kurzen schwarzen Haaren und brannte in den Pupillen. Schnell sah sie nach ihrer Auftraggeberin.
Wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung befand sich die Frau ein paar Schritte neben ihr, die Hände vor der Brust gekreuzt, die Beine leicht gespreizt, um sicheren Stand zu haben. Als würde sie sich auf sicherem Land befinden, beobachtete sie ungerührt die Naturgewalten, die um die Klapok herum tobten.
Ihre langen schwarzen Haare klebten an ihrem Klopf, die Augen lagen tief in den Höhlen, und Varia wusste nicht, ob die unnatürliche Blässe von einer Seekrankheit her rührte oder ob sich die Farbe jemals geändert hatte, seit die Kämpferin in Tularky an Bord gegangen war. Dass sie in ihrer eigentümlichen, schweren Rüstung innerhalb von Sekunden in die Tiefe gezogen würde, sollte eine Woge sie erfassen und vom Oberdeck fegen, schien sie nicht zu interessieren. Aber es sah nicht danach aus, als wäre das wütende Wasser dazu in der Lage. Während sich die Kapitänin mit aller Gewalt am Holz festhielt, bewegte sich die Frau mit dem seltsamen Namen Tïpaka keine Handbreit.
»Wir weichen vom Kurs ab«, schrie sie mit ihrer krächzenden, rauchigen Stimme gegen den Sturm und pochte auf den Magnetkompass. »Ändert das.«
»Wie soll ich das machen?«, rief Varia beinahe wütend zurück. »Soll ich dem Meer befehlen, sich zu beruhigen? Vermögt Ihr das? Nur zu. Wenn das Unwetter anhält, habe ich bald keine Mannschaft mehr. Hätte ich gewusst, dass die rogogardische See zu der Jahreszeit dermaßen rau ist, hättet Ihr diesen Rudgass allein jagen dürfen.«
»Hört auf zu jammern!«, herrschte Tïpaka sie an. »Gebt lieber Befehle, die etwas nützen.«
Varla verfluchte den Tag, als sie den Auftrag der unbekannten Frau angenommen hatte. Ihr zweites Schiff war ein paar Tage nach der überstürzten Abreise aus Tularky unter ihrem Kommando in den Hafen zurückgekehrt, um die abgesetzten Männer aufzunehmen.
Den sorgsam geplanten und weitsichtig eingefädelten Überfall auf die Kasse der reichen Stadt hatte sie sich, dank des zahnlosen Rudgass, an den Hut stecken können.
Als diese Frau auftauchte, die ein Schiff namens Grazie unbedingt zur Strecke bringen wollte, nahm die Kapitänin das Angebot schon allein aus Rache an. Der Preis, den die schweigsame Kriegerin bezahlte, erleichterte die Entscheidung zusätzlich. Angeblich hatte der Rogogarder ihr die Unschuld geraubt. Aber das nahm ihr Varla nicht eine Minute ab.
Mehrere Wochen suchten sie die Spur der Grazie, und nur durch einen glücklichen Zufall bekamen sie einen Hinweis auf die Route. Nun verfolgten sie die tarpolische Kriegskogge, die der Freibeuter befehligte, und mussten bereits ganz dicht herangekommen sein, als der Sturm sie überraschte.
Varla polterte die Stufen hinab und packte fluchend mit an, um den Männern zusätzlichen moralischen Beistand und ein Vorbild zu bieten.
Als ob Tïpaka die Kapitänin sei, thronte sie förmlich über ihnen und schaute gleichgültig zu, wie eine weitere Woge zwei Männer mit sich riss. Dann drehte sie sich um, ging kaum wankend zu der verzweifelt kämpfenden Mannschaft am Ruder und packte die Speichen. Varla sah gebannt zu, wie ihre Auftraggeberin das Rad mit Leichtigkeit drehte und das Schiff wieder auf Kurs brachte. Nach einem vergewissernden Blick auf die Nadel des Navigationsgeräts kehrte sie an ihren alten Platz zurück, die Augen ruhten nun leicht spöttisch auf Varla.
Die Kapitänin wurde an der Schulter gerüttelt. »Der Wind lässt etwas nach«, brüllte ihr einer ihrer Offiziere ins Ohr. Varla nickte, ließ das Seil los, an dem sie eben mitgezogen hatte, und lief zum Oberdeck. Mit einer umgerüsteten Blendlaterne gab sie Lichtsignale an die anderen Dreimaster, den Kurs zu halten. Alle Schiffe hatten Verluste erlitten, waren aber noch einsatzfähig.
»Da vorne sind sie«, schrie Tïpaka plötzlich und streckte den Arm aus. »Vier Strich Backbord.«
Die Kapitänin nahm ihr Fernrohr hervor und spähte über die schäumenden Wassermassen.
Noch immer fabrizierte das Meer riesige Wellenberge. Und tatsächlich, auf einem der Kämme und in einer Entfernung von einer halben Meile, schwamm eine Kogge. Beinahe völlig verborgen von sprühenden Gischtwolken und Flocken aus
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