Das Zeichen Des Dunklen Gottes
Meisterschütze und die Begleiter schweigend hinab ins Tal.
Vereinzelte Bäume, die der Wucht des Stroms standgehalten hatten, brannten wie Fackeln, Kadaver, Zeltreste und zerschlagene Wagen lagen herum, steckten zur Hälfte im Schlamm, manche loderten noch. Husten klang allerorten auf, dumpfe Hilferufe gesellten sich hinzu. An verschiedenen Stellen gruben die Soldaten ihre verschütteten Kameraden mit bloßen Händen aus dem Dreck.
Telisor hatte zu seiner Beruhigung seinen Vater entdeckt. König Tarm gehörte zu den Überlebenden und war damit beschäftigt, die Reste der Armee zu ordnen. Etwa fünfzig ungerüstete Ordenskrieger, nur als solche an ihrer Haartracht erkennbar, halfen ihm dabei. Befehle brüllend ritten sie durch den Schlamm, trieben die verbliebenen Soldaten zusammen und sammelten sie, um im Fall eines möglichen Angriffs die Gegenwehr zu organisieren. Nach und nach formierten sich Schlachtreihen.
J’Maal tauchte an Hetráls Seite auf. Er glich einem Stück nasser Erde mit zwei Beinen, aber auch er war den vernichtenden Fluten entgangen. »Der umgestürzte Wein gestern Nacht war ein schlechtes Omen«, meinte er düster. »Es hat sich erfüllt.«
Als der König seinen Sohn erblickte, senkte er beschämt den Kopf. »Telisor, ich war ein königlicher Narr! Und ich habe dafür wahrhaft bitter bei den Göttern bezahlt.« Wütend und hilflos zugleich schlug er mit dem Schwert in die Luft. »Welcher Teufel hat Varész zu diesem Plan geraten? So viele Menschen mussten sterben.« Der König schüttelte den Kopf. »Was für ein Tod.«
»Verzeiht.« Der K’Tar Tur zeigte mit seinem Schwert auf die Anhöhe, von welcher der Spähtrupp gekommen war. »Majestät, es sieht so aus, als ob wenigstens wir die Gelegenheit erhalten würden, im Kampf sterben zu dürfen.«
Lodrik ritt zwischen Mortva und Varész den kleinen Hügel hinauf, um einen besseren Überblick zu haben. Hinter den Männern folgte die Streitmacht aus Tzulandrien, diszipliniert, formiert und schweigend. Sinureds gewaltige, Furcht einflößende Gestalt lief vor den Fußtruppen, die eisenbeschlagene Deichsel locker geschultert, das grausame Gesicht zu einem erwartungsvollen Grinsen verzogen. Er wirkte wie ein lebendig gewordener Belagerungsturm.
Der Kabcar fühlte sich unwohl, seit er den Befehl zur Ausführung des Plans erteilt hatte.
Noch immer konnte er sich nicht genau vorstellen, welche Auswirkungen die Unternehmungen Varész’ auf das Geeinte Heer haben sollten. Sein Berater sprach von ein paar Hundert Opfern, um die Gegner vor der Schlacht zu entmutigen. Und da die neuen Waffen nicht fertig geworden waren, musste man die Übermacht dezimieren. Das sah auch Lodrik ein.
Zwar war es sein Wunsch gewesen, die Angreifer zu treffen und sie zu besiegen. Doch ohne die Wut, in der er damals die Anordnung gab, schwankte der junge Mann ob der Richtigkeit seiner Entscheidung. Ein harter, verlustreicher Vorstoß gegen Tarm und die Seinen, ein bisschen Magie und sie hätten vielleicht aufgegeben. Der schwarze Rauch, der über dem Tal hing, sorgte nicht unbedingt dafür, dass sein mulmiges Gefühl schwand. Seine Unruhe vergrößerte sich sogar.
Das Donnern und Tosen des Repolfalls schallte wie eh und je durch die Luft.
Der Kabcar kam auf der Spitze an und zügelte sein Pferd. Der Anblick des völlig zerstörten Lagers traf ihn bis ins Mark, schockierte ihn. Sechsundfünfzigtausend Männer, raunte eine Stimme tadelnd in seinem Inneren. Wie Ungeziefer weggespült. Wie viele Witwen sitzen nun zu Hause? Wie viele Söhne und Töchter werden vergeblich auf ihre Väter warten? Lodrik schloss die Augen und atmete tief durch.
»Hoher Herr, seid Ihr zufrieden mit meiner Arbeit?«, fragte Varész gespannt. Doch der junge Mann saß steif im Sattel, die Lider geschlossen. »Hoher Herr?«
Mortva nickte ihm beruhigend zu und bedeutete dem narbengesichtigen Krieger mit einer weiteren Kopfbewegung, Angriffsvorbereitungen zu treffen. Der Stratege verneigte sich und lenkte sein Ross zu den Signalisten.
»Immerhin«, meinte der Konsultant nach einer Weile. »Es haben sich etwas mehr als fünftausend tapfer gegen die Fluten gestemmt. Kein Gegner für uns.«
Im Hintergrund dröhnten die Hörner, Wimpel wurden geschwungen und so Kommandos an die einzelnen Gruppen gegeben. Scheppernd brachten sich die Tzulandrier in Position, mit schleifenden Geräuschen kamen blitzende Schwerter zum Vorschein, Bogenschützen lockerten die Pfeile im Köcher, Schilde ruckten in die
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