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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Kanonenrohr fasziniert. Es war doppelt so lang wie sein Bogen und rund wie ein Alekrug. Das Rohr und seine Verbindungsstücke bestanden aus schwarzem, schartigem Eisen und lagen auf einem niedrigen Holzkarren. Die Geschützmänner waren Holländer, die sich viel Zeit nahmen, die feindlichen Geschütze zu beobachten, bevor sie das Rohr auf eine der französischen Kanonen richteten. Dann machten sie sich umständlich daran, die Kanone zu laden. Sie schöpften Schießpulver mit einer langstieligen Kelle in das Rohr und drückten es mit einem stoffumwickelten Stampfer zusammen. Als Nächstes wurde weiche Lehmerde in einem niedrigen Holzbottich angerührt und auf das Schießpulver gedrückt. Während er trocknete, setzten sich die Geschützmänner zusammen, um eine Runde Würfel zu spielen. Die Kanonenkugel, ein zu einer groben Kugel gehauener Steinbrocken, lag neben dem Rohr, bis der Anführer, ein beleibter Mann mit einem gegabelten Bart, entschied, dass der Lehm trocken genug wäre. Erst dann wurde der Stein in den langen Lauf geschoben. Ein Holzkeil folgte und wurde festgeklopft, um den rundlichen Stein dicht bei dem Lehm und dem Schießpulver zu halten. Ein Priester sprenkelte Weihwasser über die Kanone und sprach ein Gebet, während die Holländer ein letztes Mal mit langen Hebeln die Ausrichtung des Rohrs verbesserten.
    «Zurück, Junge», sagte der Befehlshabende Smithson zu Hook. Der Centenar hatte sich herbeigelassen, die Oie zu verlassen, um sich anzusehen, wie die Holländer ihr Geschütz abfeuerten. Etwa zwei Dutzend weitere Männer waren dazugekommen, unter ihnen auch Seigneur de Bournonville, der die Geschützleute mit Rufen anfeuerte. Keiner der Zuschauer stand in der Nähe der Kanone, sie verhielten sich im Gegenteil, als sei das schwarze Rohr ein wildes Tier, dem mit Vorsicht begegnet werden müsse. «Guten Morgen, Sir Roger», sagte Smithson und verbeugte sich in Richtung des großen, mageren Mannes. Doch Sir Roger, der Befehlshaber der englischen Einheiten, beachtete den Gruß nicht. Er hatte ein schmales Gesicht mit einer Habichtsnase, eingefallene Wangen, dunkles Haar und trug in der Gesellschaft seiner Bogenschützen immer eine Miene zur Schau, als dünsteten sie Latrinengestank aus.
    Der beleibte Holländer wartete, bis der Priester sein Gebet beendet hatte. Dann steckte er einen nackten Federkiel in ein kleines Loch, das in das Ende der Kanone gebohrt worden war. Anschließend benutzte er einen Kupfertrichter, um den Kiel mit Schießpulver zu füllen, sah ein letztes Mal am Lauf des Rohres entlang, trat dann an die Seite des Laufs und streckte die Hand nach einer langen, brennenden Kerze aus. Der Priester, der als Einziger mit den Geschützleuten in der Nähe der Kanone stehengeblieben war, machte das Kreuzeszeichen und sprach einen schnellen Segen. Dann führte der Anführer der Geschützleute die Flamme an den pulvergefüllten Kiel.
    Die Kanone explodierte.
    Statt die Steinkugel pfeifend in die französische Belagerungszone zu schicken, verschwand die Kanone in einem Durcheinander von Rauch, umherfliegendem Metall und zerfetztem Fleisch. Die fünf Geschützleute und der Priester waren augenblicklich tot, verwandelten sich in blutroten Sprühnebel und Fragmente aus Muskeln und Fett. Ein Feldkämpfer schrie auf und brach zusammen, als ein heißes Stück Metall seinen Bauch aufschlitzte. Sir Roger, der neben dem Mann gestanden hatte, trat eilig von ihm weg und betrachtete angewidert das Blut, das auf seinen Wappenrock gespritzt war. Das Wappen zeigte drei Habichte auf einem grünen Feld. «Heute Abend nach Sonnenuntergang, Smithson», sprach Sir Roger durch den nach Blut stinkenden Rauch, der sich über die Brustwehr wälzte, «werdet Ihr Euch mit mir in der Kirche Saint-Antoine-Le-Petit treffen. Ihr und Eure gesamte Kompanie.»
    «Ja, Herr, ja», sagte Smithson schwach, «gewiss, Sir Roger.» Der Truppenführer starrte die zerstörte Kanone an. Die ersten zehn Fuß des Rohrs waren zerborsten und aufgerissen, der hintere Teil bestand nur noch aus einem qualmenden, metallischen Zackenrelief. Der Teil eines Verbindungsreifens und eine Männerhand lagen vor Hooks Füßen. Die Geschützleute, die für viel Geld angeworben worden waren, erinnerten ihn an ausgeweidete Schlachthauskadaver. Während sich Seigneur de Bournonville, dessen Wappenrock mit Blut und Fleischstückchen besudelt war, bekreuzigte, klangen von der französischen Belagerungslinie Spott- und Hohnrufe herüber.
    «Wir müssen uns auf

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