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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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zu Hause beim Stehlen erwischt worden war. «Ich konnte mir aussuchen, ob ich mich gleich dort aufknüpfen lassen oder hier in der Schlacht sterben wollte», hatte er Hook eines Abends erzählt. «Was diese Herolde vorhaben», sagte er jetzt, «ist, uns zu sagen, dass wir aufgeben sollen, und ich hoffe, wir tun es.»
    «Damit uns die Franzosen gefangen nehmen können?»
    «Nein, nein. Er ist ein guter Mann.» Dancy nickte in de Bournonvilles Richtung. «Er wird dafür sorgen, dass wir sicher sind. Wenn wir aufgeben, lassen sie uns abziehen.»
    «Und wohin?»
    «Wo immer sie uns hinschicken», sagte Dancy unbestimmt.
    Die Herolde, denen in geringer Entfernung zwei Flaggenträger und ein Trompeter gefolgt waren, hatten ihre Pferde nicht weit vom Stadttor bei de Bournonville halten lassen. Hook beobachtete, wie sich die Männer in ihren Sätteln voreinander verneigten. Es war das erste Mal, dass er Herolde zu Gesicht bekam, aber er wusste, dass sie niemals angegriffen werden durften. Ein Herold war ein Beobachter, ein Mann, der für seinen Herrn Kundschaft einholte und berichtete, was er gesehen hatte, und der Herold eines Feindes musste mit Respekt behandelt werden. Herolde sprachen im Namen ihrer Herren, und diese Männer sprachen für den König von Frankreich, denn die eine ihrer Fahnen war das Banner des französischen Königshauses, ein großes Rechteck aus blauer Seide, das drei goldene Lilien schmückten. Die andere Fahne war purpurfarben mit einem weißen Kreuz, und Dancy erklärte Hook, dass es sich dabei um das Banner von Sankt Denis handelte, der Frankreichs Schutzpatron war. Hook fragte sich, ob Denis im Himmel über größeren Einfluss verfügte als Crispin und Crispinian. Trugen sie Gott ihre Fälle vor, überlegte er weiter, wie zwei Bittsteller vor einem Hausgericht? Unwillkürlich berührte er das hölzerne Kreuz, das um seinen Hals hing.
    Die Männer sprachen kurz miteinander, dann verneigten sie sich erneut, und die königlichen Herolde wendeten ihre Pferde und ritten davon. Seigneur de Bournonville sah ihnen einen Moment lang nach und ließ sein eigenes Pferd dann ebenfalls umdrehen. Er galoppierte zurück zur Stadt, zügelte sein Pferd am brennenden Haus des Färbers und erhob die Stimme, um etwas zur Stadtmauer hinaufzurufen. Er sprach Französisch, das Hook noch kaum verstand, doch dann fügte er einige Worte auf Englisch hinzu. «Wir kämpfen! Wir werden den Franzosen diese Festung nicht überlassen! Wir kämpfen, und wir werden sie besiegen!»
    Betretenes Schweigen war die Antwort. Sowohl die Burgunder als auch die Engländer blieben ihrem Befehlshaber das Echo auf seine trotzige Widerstandserklärung schuldig. Dancy seufzte, und dann sirrte ein Armbrustbolzen über sie hinweg und schlug klappernd auf der Straße auf. De Bournonville hatte eine Reaktion seiner Männer auf der Stadtmauer erwartet, doch als keine kam, gab er seinem Pferd die Sporen und ritt in die Stadt. Hook hörte die riesigen Scharniere des Tores kreischen, den Knall, als die schweren Torflügel zusammenschlugen, und den dumpfen Schlag, mit dem der Sperrbalken in seine Halterungen fiel.
    Vor der Sonne lag nun ein Schleier. Ihre hellen rotgoldenen Strahlen drangen durch die abziehenden Rauchwolken. Ein Trupp feindlicher Reiter ritt an der Stadtmauer entlang. Es waren Feldkämpfer mit Rüstungen und Helmen. Einer von ihnen, der auf einem großen schwarzen Pferd saß, rührte ein merkwürdiges Banner. Es war kein Wappen darauf, es war nur eine schmales hellrotes Banner, ein sich wellender Streifen Seidenblut, durch den die dunstigen Sonnenstrahlen schimmerten, und dennoch Schlugen die Männer auf dem Wall bei seinem Anblick das Kreuz.
    «Die Orifiamme», murmelte Dancy.
    «Oriflamme?»
    «Die französische Kriegsfahne», sagte Dancy. Er berührte seine Zunge mit dem Mittelfinger und bekreuzigte sich noch einmal. «Es bedeutet, dass keine Gefangenen gemacht werden», fuhr er düster fort. «Es bedeutet, dass sie uns alle töten wollen.» Er machte einen Schritt rückwärts und fiel zu Boden.
    Einen Herzschlag lang verstand Hook nicht, was passiert war. Dann glaubte er, Dancy müsse gestolpert sein, und streckte unwillkürlich die Hand aus, um ihm aufzuhelfen. Und erst in diesem Augenblick sah er den mit Lederstreifen befiederten Armbrustbolzen, der aus Dancys Stirn ragte. Blut war kaum zu sehen. Ein paar Tropfen waren auf Dancys Gesicht gespritzt, doch abgesehen davon wirkte es ganz friedlich. Hook ließ sich auf ein Knie nieder

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