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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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und starrte den dicken Schaft des Bolzens an. Kaum eine Handbreit ragte aus dem Schädel, die übrige Länge hatte sich tief in das Gehirn des Mannes aus Herefordshire gebohrt, und Dancy war ohne einen Laut gestorben. Nur der Bolzen hatte ein Geräusch wie eine Fleischeraxt gemacht, als er sein Ziel getroffen hatte. «Jack?», fragte Hook leise.
    «Spar dir den Atem, Nick», sagte einer der anderen Bogenschützen, «der verhandelt jetzt schon mit dem Teufel.»
    Hook stand auf und drehte sich um. Später wusste er kaum noch, was passiert oder gar, warum es passiert war. Jack Dancy war ja nicht einmal ein enger Freund von ihm gewesen. Hook hatte in Soissons keine Freunde, außer vielleicht John Wilkinson. Doch plötzlich flammte in ihm die Wut auf. Dancy war ein Engländer, und in Soissons fühlten sich die Engländer von der Seite, für die sie kämpften, ebenso abgelehnt wie vom Feind, und jetzt war Dancy tot, und deshalb zog Hook einen gefirnissten Pfeil aus der weißleinenen Pfeiltasche, die an seiner rechten Seite hing.
    Er drehte sich um, senkte den Bogen quer vor sich, legte den Pfeil über die Mitte und hakte den Pfeilschaft mit dem linken Daumen fest. Dann schwang er den Langbogen in die Senkrechte, während er mit der Rechten das befiederte Pfeilende erfasste und es mit der Sehne zurückzog.
    «Wir sollen nicht schießen», sagte einer der anderen Bogenschützen.
    «Verschwende keinen Pfeil!», fiel ein anderer ein.
    Die Sehne rieb an Hooks rechtem Ohr. Seine Augen glitten über den rauchgeschwängerten Grund vor der Stadt und fanden einen Armbrustschützen, der hinter einer Pavese hervortrat, die mit gekreuzten Äxten bemalt war.
    «Du kannst nicht so weit schießen wie sie», ermahnte ihn der erste Bogenschütze.
    Doch Hook war von Kindesbeinen an mit dem Bogen vertraut. Er hatte seine Kräfte so lange gestählt, bis er die Sehnen der größten Kriegsbogen spannen konnte, und er hatte gelernt, dass man nicht mit dem Auge zielte, sondern mit dem Geist. Er erkannte sein Ziel, und dann zwang er dem Pfeil seinen Willen auf, und die Hände richteten unbewusst den Bogen aus. Der Armbrustschütze hob indes seine schwere Waffe. Zwei Bolzen schwirrten an Hooks Kopf vorbei durch die Abendluft.
    Er bemerkte sie nicht einmal. Es war wie der Moment im Unterholz, wenn sich das Reh einen Augenblick lang zwischen dem Laub gezeigt hatte und der Pfeil abschnellte, ohne dass der Schütze überhaupt wusste, dass er die Sehne freigegeben hatte. «Die ganze Kunst liegt zwischen deinen Ohren, mein Junge», hatte ihm ein Dorfbewohner vor Jahren erklärt, «einzig und allein zwischen deinen Ohren. Du zielst nicht mit dem Bogen. Du denkst einfach nur daran, wohin der Pfeil fliegen soll, und dorthin fliegt er.» Hook ließ die Sehne los.
    «Du verdammter Narr», sagte ein Bogenschütze, und Hook sah die weißen Gänsefedern durch die raucherfüllte Luft zucken und den Pfeil schneller niederfahren als einen zuschlagenden Falken. Stahlbewehrter, seidenbezwirnter, eschengeschnitzter, weißbefiederter Tod schwang sich durch die Abendstille.
    «Gütiger Gott», murmelte der erste Bogenschütze.
    Der Armbrustschütze starb keinen so leichten Tod wie Dancy. Hooks Pfeil durchbohrte seine Kehle. Der Mann schnellte herum, und die Armbrust löste sich selbst aus, sodass der Bolzen ziellos in die Höhe schoss, während der Mann rücklings hinstürzte, zuckte und sich mit beiden Händen an die Kehle griff, wo der Schmerz wie flüssiges Feuer brannte. Über ihm hatte sich der Himmel nun rot gefärbt, blutrot vom Widerschein der Feuer und den lodernden Farben des Sonnenuntergangs.
    Das, dachte Hook, war ein guter Pfeil. Mit geradem Schaft und ordentlich mit Federn besetzt, die alle aus demselben Gänseflügel gerupft worden waren. Treu war er seiner Bahn gefolgt. Er war dahin geflogen, wo Hook ihn hingezwungen hatte, und er hatte einen Mann im Krieg getötet. Nun endlich war Hook ein echter Bogenschütze.
    ***
    Am zweiten Abend der Belagerung dachte Hook, das Ende der Welt sei gekommen.
    Es war ein klarer, warmer Abend kurz vor der Dämmerung. Der Fluss wand sich träge zwischen seinen blumenbestandenen Ufern hin, an denen Weiden und Erlen wuchsen. Schlaff hingen die französischen Banner über den Zelten. Immer noch stieg Rauch von den niedergebrannten Häusern auf und verlor sich weit oben im wolkenlosen Himmel. In weiten, eiligen Bögen jagten Mauersegler und Schwalben auf der Jagd nach Mücken um die Stadtmauer.
    Nicholas Hook lehnte an der

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