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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Brustwehr. Seinen unbespannten Bogen neben sich, dachte er an England, an das Herrenhaus, an die Felder hinter der langgestreckten Scheune, auf denen nun bald das Gras gemäht werden würde. Hasen würden im hohen Wiesengras sitzen, Forellen durch den Fluss schnellen, und im Zwielicht würden die Lerchen singen. Er dachte an den verfallenden Viehstall auf dem Feld, das Shortmead genannt wurde, den Stall mit dem einbrechenden Strohdach, über das ein Vorhang aus Geißblatt hing, hinter dem sich William Snoballs junge Frau Neil mit ihm zu heimlichen, leidenschaftlichen Liebesstunden getroffen hatte. Er fragte sich, wer wohl im Dreiknöpfewald das Niederholz auf Stock setzte, und wie immer, wenn er an diesen Wald dachte, fragte er sich auch, wie er zu seinem Namen gekommen war. Das Gasthaus im Dorf hieß ebenfalls Drei Knöpfe, doch niemand wusste, weshalb, nicht einmal Lord Slayton, der manchmal an seinen Krücken hereinhinkte und mit ein paar Silbermünzen auf der Küchendurchreiche sämtliche Gäste zu einem Ale einlud. Dann dachte Hook an die bösartigen, allgegenwärtigen Perrills. Er konnte nicht mehr nach Hause, niemals mehr, denn er war ein Geächteter. Die Perrills konnten ihn töten und wären keine Mörder, nicht einmal Totschläger, denn einen Geächteten schützte kein Gesetz. Dann fiel ihm das Fenster in dem Stall in London ein. Gott hatte gewollt, dass er das Lollardenmädchen durch dieses Fenster rettete, doch er hatte versagt. Damit war es für immer von dem himmlischen Licht abgeschnitten, das hinter diesem Fenster geleuchtet hatte, davon war er überzeugt. Sarah. Er murmelte ihren Namen oft, so als könne die Wiederholung ihm Vergebung bringen.
    Der abendliche Friede ging in donnerndem Getöse unter.
    Doch zuerst war da Licht. Schwarzes Licht, dachte Hook später, ein Strahl schwarzen Lichts, schwarzflammendes Licht, das wie die Zunge einer Höllenschlange aus einem Erdwall leckte, den die Franzosen nahe bei einem ihrer unheimlichen Katapulte aufgeschüttet hatten. Diese Zunge aus grausigem Feuer schnellte nur einen kurzen Moment empor, bevor sie von einer Wolke aus plötzlich emporquellendem, dichtem schwarzem Rauch ausgelöscht wurde. Und dann kam der Knall, ein ohrenbetäubender Schlag, der selbst den Himmel zu erschüttern schien und dem ein weiteres, beinahe ebenso lautes Krachen folgte, mit dem etwas die Stadtmauer traf.
    Die Mauer bebte. Hooks Bogen fiel klappernd auf die Steine. Vögel schrien und flogen vor dem Feuer, dem Rauch und dem nachhallenden Poltern davon. Die Sonne war verschwunden, verhüllt von der schwarzen Rauchwolke, und einen Moment lang konnte Hook nichts anderes denken, als dass sich die Erde aufgetan haben und das Höllenfeuer aus den Tiefen herausgeschlagen sein müsse.
    «Allmächtiger!», stieß ein Bogenschütze schaudernd hervor.
    «Ich habe mich schon gefragt, wann das passieren würde», bemerkte ein anderer voller Abscheu. «Eine Kanone», erklärte er dem ersten, «hast du noch nie eine Kanone gesehen?»
    «Noch nie.»
    «Dann lernst du sie jetzt kennen», sagte der zweite Mann grimmig.
    Auch Hook hatte noch nie eine Kanone gesehen, und er zuckte zusammen, als eine weitere abgefeuert wurde und ihr schmutziger Rauch in den Sommerhimmel stieg. Am nächsten Tag verstärkten vier weitere Kanonen den Angriff. Die sechs französischen Kanonen richteten weitaus mehr Schaden an als die vier riesigen hölzernen Katapulte. Sie waren nicht zielgenau, die gezackten Felsbrocken verfehlten die Stadtmauer oft und stürzten innerhalb der Stadt in Häuser, die sofort anfingen zu brennen, weil sich die Küchenfeuer ausbreiteten. Dennoch fraßen sich die Kanonensteine stetig in die Stadtmauer, die ohnehin in schlechtem Zustand war. Schon nach zwei Tagen war das äußere Mauerwerk ins übelriechende Wasser des Befestigungsgrabens gerutscht, und die Geschützführer erweiterten die Bresche mit immer neuen Schüssen, während die Burgunder hinter dem zusammengestürzten Stück der Stadtmauer einen halbrunden Schutzwall errichteten.
    Jede der Kanonen wurde dreimal am Tag abgefeuert, die Schüsse kamen so regelmäßig, wie die Glocke eines Klosters die Mönche zum Gebet ruft. Die Burgunder hatten ihre eigene Kanone, die auf der südlichen Seite aufgestellt worden war, weil man mit dem Angriff der Franzosen von der Straße nach Paris gerechnet hatte. Es dauerte zwei Tage, um das Geschütz zur westlichen Befestigung zu bringen, wo es aufs Dach des Torturms gehievt wurde. Hook war von dem

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