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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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zu verteidigen, dennoch war sie nicht annähernd so sicher wie die Festung, auch wenn es zutraf, dass die Festung am anderen Ende der Stadt lag. Hook fragte sich, wie schwierig es werden würde, diese Zuflucht zu erreichen, wenn die Städter die Straßen blockierten
    und die französischen Feldkämpfer durch die Lücken in der Stadtmauer drangen. Er sah zu einem Wandgemälde empor, das Männer, Frauen und Kinder zeigte, wie sie in die Hölle hinabstürzten. Auch Priester und sogar Bischöfe waren unter den verdammten Seelen, die in einer wilden Kaskade in einen Feuersee fielen, wo sie von schwarzen Teufeln mit lüsternen Mienen und dreizackigen Aalspeeren erwartet wurden. «Du wirst dich in die Hölle wünschen, wenn die Franzosen dich erwischen», sagte Smithson, der bemerkt hatte, wohin Hook sah. «Ihr würdet alle um die Freuden der Hölle betteln, wenn diese französischen Bastarde euch kriegen. Also denkt daran! Wir kämpfen an der Befestigung hinter der Bresche, und falls es wirklich beschissen läuft, kommen wir hierher.»
    «Aber warum hierher?», rief ein Mann.
    «Weil Sir Roger weiß, was er tut», sagte Smithson und klang dabei alles andere als überzeugt, «und wenn ihr hier eine Liebste habt», fuhr er mit einem schmutzigen Grinsen fort, «dann sorgt dafür, dass die kleine Süße mit euch kommt.» Er schob seine massigen Lenden vor und zurück. «Wir wollen doch nicht, dass die halbe französische Armee über unsere Liebsten herfällt, oder?»
    Am nächsten Morgen hielt Hook wie jeden Morgen bei den niedrigen bewaldeten Hügeln hinter der Aisne nach den burgundischen Truppen Ausschau, die der belagerten Garnison zu Hilfe kommen sollten. Doch sie kamen nicht. Die großen Kanonensteine schwirrten über die verkohlten Ruinen der verbrannten Häuser, schlugen in die zerfallende Stadtmauer ein, Staubwolken erhoben sich, sanken auf den Fluss nieder und zogen mit ihm wie große graue Flecken auf dem Wasser Richtung Meer. Hook stand jeden Morgen in der Dämmerung auf und ging in die Kathedrale, wo er niederkniete und betete. Er war davor gewarnt worden, allein durch die Stadt zu gehen, doch die Einwohner von Soissons ließen ihn in Ruhe. Vielleicht waren sie von seiner Größe und Kraft eingeschüchtert, vielleicht wussten sie aber auch, dass er der einzige Bogenschütze war, der regelmäßig betete, und tolerierten ihn deshalb. Er hatte damit aufgehört, zu Sankt Crispin und Sankt Crispinian zu beten, weil er vermutete, dass den Heiligen die Stadtbewohner mehr am Herzen lagen, und so betete er stattdessen zur Muttergottes, denn auch seine eigene Mutter hatte Mary geheißen. Er betete zur Heiligen Jungfrau um Vergebung für den Tod des Mädchens in London. An einem dieser Morgen kniete sich ein Priester neben ihn. Hook beachtete ihn nicht.
    «Du bist der Engländer, der betet», sagte der Priester auf Englisch und verhaspelte sich sogleich in der ungewohnten Sprache. Hook erwiderte nichts. «Die Leute fragen sich, warum du betest», fuhr der Priester fort und deutete mit dem Kinn auf die Frauen, die vor anderen Statuen und Altären knieten.
    Hooks Gefühl sagte ihm, er solle nicht mit dem Mann sprechen, doch der Priester hatte ein freundliches Gesicht und eine sanfte Stimme. «Ich bete einfach bloß», gab er mürrisch zurück.
    «Betest du für dich selbst?»
    «Ja», gab Hook zu. Er betete, damit Gott ihm vergab und den Fluch von ihm nahm, der nach Hooks Überzeugung sein Leben zerstörte.
    «Dann erbitte etwas für jemand anders», lautete der gütige Rat des Priesters. «Gott erhört solche Gebete bereitwilliger, glaube ich, und wenn du für jemand anders betest, dann wird Er deine eigene Bitte ebenfalls erfüllen.» Lächelnd erhob er sich und berührte Hook leicht an der Schulter. «Und bete zu unseren Heiligen, Crispin und Crispinian. Ich vermute, sie sind weniger beschäftigt als die Heilige Jungfrau. Gott behüte dich, Engländer.»
    Der Priester ging davon, und Hook beschloss, seinem Rat zu folgen und wieder zu den beiden Ortsheiligen zu beten.
    Also ging er zu einem Altar unter einem Gemälde von den beiden Märtyrern und betete für die Seele Sarahs, deren Leben er in London nicht retten konnte. Während er betete, sah er zu dem Bild hinauf. Die beiden Heiligen standen in einem grünen Feld, das mit goldenen Sternen übersät war, auf einem Hügel hoch über einer Stadt mit weißen Mauern. Sie blickten ernst und ein wenig traurig auf Hook nieder. Sie trugen weiße Gewänder, und Crispin stützte

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