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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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austrocknen, aber diese Bögen waren auch noch nicht zur Bespannung fertig gemacht, und Hook würdigte sie keines weiteren Blickes. «Die meisten wurden in Kent gemacht», sagte Venables, «aber ein paar kommen auch aus London. Sie bringen in diesem Teil der Welt keine guten Bogenschützen zustande, mein Junge, aber Bögen schon.»
    «Das tun sie», nickte Hook. Er hatte einen der längsten Bogenschäfte aus dem Gestell gezogen. Das Holz verbreiterte sich zur verdickten Mitte hin, die er mit seiner linken Hand umfasste, während er die Beweglichkeit der oberen Hälfte prüfte. Dann brachte er den Bogen zu einem rostigen Gitter, durch das ein paar Sonnenstrahlen fielen.
    Der Bogen war vollendet. Die Eibe war in einem südlichen Land geschlagen worden, wo die Sonne heller schien, und dieser Bogen war aus dem Stammholz des Baumes gefertigt. Er war feinporig und hatte keine Astansätze. Hook ließ seine Hand über das Holz gleiten, fühlte seine Verdickung und spürte die winzigen Grate, die das Werkzeug des Bogners hinterlassen hatte, das Abziehmesser, mit dem die Waffe geformt wurde. Der Schaft war neu, denn das Splintholz, das den Rücken des Bogenschaftes bildete, war noch fast weiß. Mit der Zeit, so wusste Hook, würde es die Farbe von Honig annehmen, doch jetzt hatte der Rücken des Bogens, der von ihm abgewandt war, wenn er die Sehne spannte, den gleichen Farbton wie Melisandes Brüste. Der Bauch des Bogens bestand aus dem Kernholz des Stammes und war tiefbraun, so braun wie Melisandes Gesicht, sodass der Bogen aus zwei verschiedenen Holzstreifen gemacht zu sein schien, aus einem nahezu weißen und einem braunen, die eine perfekte Verbindung eingegangen waren. Doch in Wahrheit bestand der Bogenschaft aus einem einzigen Stück wundervoll geglätteten Holzes, das an der Stelle aus dem Stamm geschnitten worden war, an der das Splintholz ins Kernholz überging.
    Gott hat den Bogen geschaffen, hatte einmal ein Priester in Hooks Dorfkirche gesagt, genau wie er auch Mann und Frau geschaffen hat. Der durchreisende Priester hatte damit gemeint, dass Gott Kernholz und Splintholz miteinander verheiratet hatte, und es war diese Verbindung, die den großen Kriegsbogen zu einer so tödlichen Waffe werden ließ. Das dunkle Kernholz des Bogenbauchs war steif und unnachgiebig. Es wehrte sich gegen den Versuch, es zu biegen, während sich das helle Splintholz des Bogenrückens leicht in eine Wölbung krümmen ließ, doch genau wie das Kernholz wollte es sich wieder gerade richten, und es besaß eine so große Schnellkraft, dass der Bogen, sobald der Druck abnahm, wieder seine normale Form annahm. So entstand durch den biegsamen Rücken des Bogens Zug und durch den steifen Bogenbauch Druck, und dadurch konnte der Pfeil fliegen.
    «Um den zu spannen, brauchst du Kraft», sagte Venables zweifelnd. «Gott weiß, was sich dieser Bogner gedacht hat! Hat wohl gemeint, Goliath braucht vielleicht eines Tages auch mal einen Bogen, was?»
    «Er wollte den Schaft nicht kürzen», vermutete Hook, «weil er einfach vollkommen ist.»
    «Wenn du ihn spannen kannst, Junge, dann gehört er dir. Nimm dir eine Armschiene», sagte Venables und deutete auf einen Stapel Armschienen aus Horn, «und eine Sehne.» Er zeigte Hook ein Fass mit Schnüren.
    Die Sehnen fühlten sich leicht klebrig an, denn der Hanf war mit Hufleim ummantelt worden, um die Schnüre vor Feuchtigkeit zu schützen. Hook suchte sich ein paar lange Schnüre heraus, knüpfte eine Schlinge in das Ende einer Schnur und hakte sie in die eingekerbte Hornspitze am unteren Ende des Bogens ein. Dann bog er den Bogenschaft mit aller Kraft, um die Länge der Sehne abzuschätzen, knüpfte eine Schlinge ins andere Ende, und indem er nochmals alle Kräfte aufbot, krümmte er den Bogen und ließ die neue Schlinge über die obere Bogennocke gleiten. Die Mitte der Sehne, an der die eingekerbte Hornscheibe der Pfeilnocke anliegen würde, war mit zusätzlichen Hanffasern verstärkt worden, um dem Druck standzuhalten.
    «Schieß ihn ein», schlug Venables vor. Er war mittleren Alters, stand in den Diensten des Burgvogts am Tower, und er war eine freundliche Seele und verbrachte seine Tage am liebsten, indem er jedem, der ihm zuhören wollte, seine Geschichten von lange vergangenen Schlachten erzählte. Er nahm eine Pfeiltasche mit hinaus auf den Streifen Schlamm und Wiese vor den Unterkünften der Wachleute und ließ sie mit lautem Klappern zu Boden fallen. Hook befestigte den Armschutz an seinem

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