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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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linken Unterarm so, dass der Hornstreifen an der Innenseite des Arms lag, um die Haut vor der peitschenden Reibung der Bogensehne zu schützen. Ein Schrei erhob sich und erstarb. «Das ist Bruder Bailey», erklärte Venables.
    «Bruder Bailey?»
    «Bruder Bailey ist Benediktiner», sagte Venables, «und der oberste Foltermeister des Königs. Er holt wohl gerade einmal wieder die Wahrheit aus einem armen Bastard heraus.»
    «In Calais wollten sie mich auch foltern», sagte Hook.
    «Wahrhaftig?»
    «Ein Priester wollte es.»
    «Die wollen immer nur Leute aufs Streckbett spannen, was? Das habe ich nie verstanden! Sie erzählen dir, dass Gott dich liebt, und dann quälen sie dich fast zu Tode. Wenn sie dich was fragen, Junge, dann sag ihnen die Wahrheit.»
    «Das habe ich auch getan.»
    «Allerdings hilft das auch nicht immer», gab Venables zu. Noch ein Schrei gellte, und unwillkürlich fuhren die Köpfe in die Richtung. «Der arme Hund hat vermutlich schon längst die Wahrheit gesagt, aber Bruder Bailey geht gerne auf Nummer sicher, so ist das nämlich. Und jetzt stellen wir einmal fest, wie dieser Bogen schießt, oder?»
    Hook steckte ein Dutzend Pfeile mit der Spitze vor sich in die Erde. Ein verblasstes und stark zerschossenes Tuch wurde am Ende der Wiese an einem verrottenden Heuhaufen befestigt. Die Entfernung war gering, kaum hundert Schritt, und das Ziel war zweimal so groß wie ein Mann, und Hook hätte dieses einfache Ziel immer treffen können, doch mit dem neuen Bogen würden seine ersten Pfeile sicher in die Irre gehen.
    Der Bogen stand unter Spannung, aber jetzt musste Hook ihn lehren, sich zu biegen. Er zog die Sehne zunächst nicht sehr weit nach hinten, sodass der Pfeil kaum sein Ziel erreichte. Dann spannte er etwas weiter, dann noch etwas mehr. Jedes Mal brachte er die Sehne ein bisschen näher an sein Gesicht, doch noch spannte er den Bogen nicht zu seiner vollen Krümmung. Er schoss Pfeil um Pfeil ab. So lernte er die Eigenarten des Bogens kennen, und der Bogen lernte, seinem Druck nachzugeben. Es dauerte eine ganze Stunde, bis Hook die Sehne bis zu seinem Ohr zurückzog und den ersten Pfeil mit der ganzen Kraft des Bogens abschnellen ließ.
    Er wusste es nicht, doch er lächelte dabei. Es lag eine Schönheit in alldem, die Schönheit von Eibenholz und Hanf, von Seide und Federn, von Stahl und Esche, von Mensch und Waffe, von schierer Kraft, von der gewaltigen Spannung des Bogens, die, freigegeben von Fingern, die der raue Hanf der Sehne aufgerieben hatte, den Pfeil zischend auf seine Bahn schickte und mit einem dumpfen Geräusch einschlagen ließ. Der letzte Pfeil traf genau in die Mitte des durchlöcherten Ziels und grub sich bis zu den Federn ins Heu. «Das hast du wohl schon mal gemacht», sagte Venables grinsend.
    «Das stimmt», pflichtete ihm Hook bei, «aber es ist zu lange her. Mir tun die Finger weh!»
    «Sie werden sich schnell wieder daran gewöhnen», sagte Venables, «und falls sie dich nicht foltern und umbringen, dann könntest du vielleicht zu uns kommen! Es ist kein schlechtes Leben hier im Tower. Gutes Essen, sogar viel gutes Essen, und nicht zu viele Dienste.»
    «Das würde mir gefallen», sagte Hook abwesend. Seine ganze Aufmerksamkeit lag auf dem Bogen. Er hatte geglaubt, die wochenlange Reise hätte seine Kräfte erlahmen lassen und seine Kunstfertigkeit beeinträchtigt, doch er zog die Sehne immer noch mit Leichtigkeit zurück, ließ sie ohne Zittern los und zielte genau. In seiner Schulter und seinem Rücken spürte er ein Ziehen, und seine zwei Fingerspitzen waren aufgerieben, doch das war schon alles. Und mit einem Mal wurde ihm klar, dass er glücklich war. Dieser Gedanke ließ ihn verharren, und er starrte das Ziel an dem Heuhaufen an, während er nachdachte. Sankt Crispinian hatte ihn an einen Ort voll Sonnenschein geführt, und er hatte ihm Melisande gegeben. Doch dann wurde ihm plötzlich sein Glück sauer, als er sich daran erinnerte, dass er immer noch ein Geächteter war. Wenn Sir Martin oder Lord Slayton entdeckte, dass Nicholas Hook am Leben und in England war, dann würden sie ihr Recht fordern und ihn hängen.
    «Lass uns einmal feststellen, wie schnell du bist», schlug Venables vor.
    Hook stieß eine weitere Handvoll Pfeile in die Erde und dachte an die Nacht voller Rauch und Schreie, in der die Männer in ihren schimmernden Rüstungen durch die Bresche von Soissons gekommen waren. Ohne zu denken, ohne zu zielen, hatte er einfach den Bogen sein Werk tun

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