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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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gewaltige Eiche fiel, langsam zuerst, dann immer schneller, krachend und rauschend zwischen Ästen und Laubwerk hindurch, und landete schließlich dröhnend auf der Erde. Vögel kreischten. Ein paar Augenblicke war der Wald in Aufruhr, dann ebbte der Lärm wieder ab, und es war nichts weiter zu hören als die hallenden Axtschläge entlang des Bergkammes. «Ich meine», sagte Hook langsam, «das wäre vielleicht eine guter Einfall.»
    «Findest du?»
    Er nickte. «Ja.»
    Sie sah ihn eine Weile an, ohne etwas zu sagen, und nahm dann ihre Armbrust auf. «Ich sehe am Schaft hinunter», fragte sie, «und halte die Armbrust ganz fest?»
    «Und dann löst du ganz sanft aus», sagte er. «Halte am besten die Luft an, während du abziehst, und richte dabei deinen Blick nicht auf den Bolzen, sieh einfach dorthin, wo der Bolzen hinfliegen soll.»
    Sie nickte, legte den Bolzen in die Furche und zielte auf denselben Baum, den sie zuvor verfehlt hatte. Sie stand nun ein paar Schritte näher davor. Hook sah ihr aufmerksam zu, sah die Konzentration in ihrer Miene und wie sie in Erwartung des Rückstoßes zusammenzuckte. Dann hielt sie den Atem an, schloss die Augen, zog am Abzug, und der Bolzen jagte an dem Baum vorbei und verschwand in der Senke dahinter. Melisande starrte verzweifelt in die Richtung, in die er geflogen war.
    «Du hast nicht sehr viele Bolzen», sagte Hook, «und die hier sind noch dazu besonders.»
    «Besonders?»
    «Sie sind kleiner als die meisten anderen», sagte er. «Sie sind speziell für diese Armbrust angefertigt worden.»
    «Soll ich nach den Bolzen suchen, die ich verschossen habe?»
    Er lächelte. «Ich hacke ein paar von diesen Ästen ab, und du suchst die zwei Bolzen.»
    «Ich habe noch neun.»
    «Elf wären besser.»
    Sie legte die Armbrust auf den Boden, stieg vorsichtig den Abhang hinunter und war bald im sonnenüberglänzten Grün des Unterholzes verschwunden. Hook spannte die Armbrust, kurbelte die Sehne ohne jede Anstrengung zurück und hoffte, die Dauerspannung würde die Bogenschenkel schwächen, damit es Melisande leichter hätte. Dann machte er sich daran, die Seitenarme der gefällten Eiche abzuhacken. Er fragte sich, warum der König eine solche Menge gerader Hölzer in der Länge eines Bogenschaftes haben wollte. Nicht meine Angelegenheit, dachte er sich dann. Er machte sich an den zweiten Ast, dann an den dritten. Der gewaltige Stamm würde noch zersägt werden, doch für den Moment blieb er dort liegen, wo er hingefallen war. Hook hackte ein paar schwächere Äste ab und hörte irgendwo auf dem Bergkamm einen anderen mächtigen Baum tosend niedergehen. Tauben flatterten mit klatschendem Flügelschlag zwischen dem Blattwerk. Hook überlegte, ob er Melisande bei der Suche nach den Bolzen helfen sollte, denn sie war schon viel zu lange weg, doch gerade als ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, kam sie voller Aufregung zurückgerannt. Sie deutete auf den westlichen Bergabhang. «Da sind Männer!», sagte sie.
    «Natürlich sind da Männer», sagte Hook und hieb, die Axt nur mit einer Hand haltend, einen Ast von der Dicke eines Männerarms ab. «Wir haben uns hier überall verteilt.»
    «Bewaffnete Reiter», zischte Melisande, « Chevaliers !»«Das sind sicher welche von uns», sagte Hook. Täglich unternahmen einige Feldkämpfer Erkundungsritte in die Umgebung, um sich nach Verpflegung und der französischen Armee umzusehen, deren Ankunft zur Entsetzung Harfleurs alle erwarteten.
    «Es sind Franzosen!», flüsterte Melisande aufgeregt.
    Das glaubte Hook nicht, dennoch ließ er die Axt in den gefällten Baum fahren, damit sie stecken blieb, sprang vom Stamm herunter und nahm Melisande am Arm. «Sehen wir nach.»
    Da waren wirklich Männer, Reiter in einem mit Farndickicht bewachsenen Geländeeinschnitt, der sich wie eine Rinne mit schlangengleichen Windungen den Wald hinaufzog. Hook zählte ein Dutzend Reiter, die auf einem schmalen Pfad hintereinanderher ritten, doch er spürte, dass dahinter noch weitere Reiter waren. Und Melisande hatte recht: Die Reiter trugen nicht das Sankt-Georgs-Kreuz. Zwar trugen auch sie Wappenröcke, doch Hook kannte keinen davon, und sie trugen Plattenpanzer und Helme. Die Visiere hatten sie hochgeklappt, sodass Hook unter dem Schatten des Stahls die Augen des ersten Reiters blitzen sehen konnte. Dann erhob dieser Mann die Hand, um die Reihe zum Stehen zu bringen, und betrachtete aufmerksam die Anhöhe. Er wollte ausmachen, von wo genau die Axthiebe kamen, und

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