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Das Zeichen des Vampirs - The Society of S

Titel: Das Zeichen des Vampirs - The Society of S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hubbard
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peripher wahrnehmen. Das war schon immer so gewesen. Ich wusste von dem Begriff »Spiegelbild«, den ich in Büchern gelesen hatte, dass es normalerweise klarer, deutlicher war; meines war es nicht, aber andererseits waren die Spiegel in unserem Haus auch alle alt. Ich gab den Spiegeln die Schuld.
    Als ich ein Prickeln auf der Haut spürte, drehte ich mich wieder um. Aber da war niemand.

    Eines Abends kehrte Dennis dann endlich aus Japan zurück und seine sorglose Fröhlichkeit brachte wieder Leben in das Haus. Seit für Kathleen die Schule wieder angefangen hatte, sahen wir uns seltener. Sie hatte unter ihren Mitschülerinnen in der achten Klasse neue Freundinnen gefunden, und obwohl sie ein- oder zweimal die Woche anrief, merkte ich, dass wir uns voneinander entfernten. Ich war nicht mehr daran gewöhnt,
so viel Zeit allein zu verbringen, und war daher schon seit einigen Tagen ziemlich lustlos.
    Dennis war in einem zerknitterten Anzug, der schwach nach Alkohol und Schweiß roch, ins Wohnzimmer gekommen. Sein Gesicht war gerötet, seine Augen blutunterlaufen. Mein Vater saß wie gewöhnlich in seinem Sessel, trank Picardo und las. Mir fiel zum ersten Mal auf, dass mein Vater nach nichts roch. Er hatte überhaupt keinen Geruch. Sein Gesicht rötete sich nie und seine Augen waren nie blutunterlaufen. Ich wusste von den wenigen Malen, die ich seine Hände gestreift hatte, dass sie kühl waren. Dennis Hände hingegen schienen Hitze auszustrahlen.
    Dennis sah mich an. »Wow«, sagte er.
    »Soll heißen?«, fragte mein Vater.
    »Soll heißen, dass unsere kleine Ariella in dem einen Monat, in dem ich weg war, erwachsen geworden ist.« Dennis beugte sich zu mir herunter und umarmte mich. »Das kommt vom Fahrradfahren, Ari. Hab ich recht?«
    Ich erwiderte seine Umarmung. »Muss wohl das Fahrradfahren sein«, sagte ich. »Würde dir auch guttun, hab ich recht?«
    Er tätschelte seinen Bauch. »Je älter ich werde, desto mehr Speck setze ich an«, sagte er, »und die exotische Küche und der leckere japanische Pflaumenwein haben erheblich dazu beigetragen.«
    Dennis war damals Anfang vierzig, und sein Gesicht hatte Fältchen, von denen bei meinem Vater nichts zu sehen war.
    »Wie war Japan?«, fragte ich.
    »Japan war fantastisch«, sagte er. »Aber mit der Arbeit ist es nicht so gut gelaufen, wie wir gehofft hatten.«
    »Woran arbeitet ihr denn gerade?«

    Dennis sah meinen Vater an.
    »Wir forschen an einer chemischen Verbindung namens Perfluorcarbon«, sagte mein Vater, nachdem einen Moment Stille geherrscht hatte.
    Ich muss verwirrt ausgesehen haben.
    »Wir versuchen, es zu emulgieren«, fuhr er fort, »damit es Sauerstoff aufnehmen kann.«
    Normalerweise hätte ich noch tausend andere Fragen gestellt, aber dieses Niveau an technischen Details war zu hoch für mich. Deswegen sagte ich nur: »Wie schön.«
    Dennis wechselte abrupt das Thema. »Was ist das für ein Ding um deinen Hals, Ari?«
    Ich zog mir das kleine Flanellsäckchen über den Kopf und gab es ihm, damit er es sich ansehen konnte. »Das ist Lavendel. Es soll mir Glück bringen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du abergläubisch bist«, sagte mein Vater, ohne eine Gefühlsregung zu zeigen.

    Wochenlang hoffte ich, mein Vater würde unsere Unterhaltung über Poe und das Verlassenwerden irgendwann fortsetzen, aber er lenkte unseren Unterricht immer in eine andere Richtung. Ich konnte die Bibliothek mit zwei, drei provozierenden Bemerkungen betreten, die ich mir zurechtgelegt hatte, um ihn dazu zu bringen, etwas von sich preiszugeben, und es gelang ihm jedes Mal, mich in Sekundenschnelle in eine ganz andere Unterhaltung zu verwickeln - über Alexis de Tocqueville, John Dalton oder Charles Dickens. Wenn ich mich dann ungefähr eine Stunde nach dem Unterricht wieder an mein Vorhaben erinnerte, wunderte ich mich immer darüber, wie es ihm gelungen war, mich wieder davon abzulenken. Es gab
Momente, in denen ich sicher war, dass er mich hypnotisierte. Später wurde mir dann klar, dass er mich in endlos lange Metaphern verwickelte, die er mühelos aufstellte und immer weiterspann, während er sprach.
     
    Trotzdem war ich eine beharrliche Schülerin. Etwas über meine Eltern und ihre Vergangenheit herauszufinden, schien mir wichtiger als Dalton oder Dickens. Ich heckte einen Plan aus.
    An einem Mittwochnachmittag, als eine zoologische Unterrichtsstunde über eukaryotische Zellen und DNA mit Dennis auf dem Stundenplan stand, sagte ich ihm, dass ich gern ein ähnliches

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