Das Zeichen des Vampirs - The Society of S
sie schön?«
»Ja, sie war schön.« Seine Stimme klang heiser. »Aber im Gegensatz zu den meisten schönen Frauen war sie sich ihrer Schönheit nicht bewusst. Allerdings konnte sie auch launisch sein.«
Er hustete. »Nachdem wir ein Paar geworden waren, übernahm sie die Gestaltung unserer gemeinsamen Freizeit. Sie plante jeden Tag, als wäre er ein künstlerisches Ereignis. Eines Nachmittags fuhren wir zum Picknicken nach Tybee Island. Wir aßen Blaubeeren, tranken Champagner mit Curaçao und hörten Miles Davis. Ich fragte sie nach dem Namen ihres Parfums, und sie sagte, es hieße L’Heure Bleue .
Sie sprach oft über ›den perfekten Moment‹. Dieser Nachmittag war ein solcher Moment. Sie lag neben mir und döste, während ich ein Buch las. Sie sagte: ›Ich werde mich immer an den Klang des Meeres, das Rascheln der Seiten und den Duft von L’Heure Bleue erinnern. So klingt und schmeckt die Liebe für mich.‹<
Ich zog sie damit auf, eine hoffnungslose Romantikerin zu sein. Und sie neckte mich und sagte, ich sei ein staubtrockener Intellektueller. Sie glaubte fest daran, dass das Universum uns ständig sensorische Botschaften schickt, die wir nie ganz entschlüsseln können. Sie versuchte auch, ihre eigenen Botschaften zu senden.«
Dann entschied er, dass es für heute genug sei - es war spät geworden und vor den Fenstern herrschte tiefste Nacht. Er versprach, mir am nächsten Tag mehr zu erzählen.
Ich protestierte nicht. Ich ging schlafen und in dieser Nacht träumte ich weder noch weinte ich.
Ich nahm an, mein Vater würde seine Geschichte damit fortsetzen, wie er meine Mutter umworben hatte, aber am nächsten Tag begann die Unterrichtsstunde ganz anders, als ich es erwartet hatte.
Mein Vater sagte, er würde sich lieber mit mir im Salon
treffen und hielt ein Glas Picardo in der Hand, obwohl er sonst nur trank, wenn unser Unterricht beendet war.
Nachdem wir in unseren Sesseln Platz genommen hatten, sagte er plötzlich: »Mir fehlen ein paar der menschlichen Eigenschaften, die ich in der Unbefangenheit wahrnehme, mit der du dich mit Dennis unterhältst. Das Scherzen, eure unbekümmerte Zuneigung zueinander.
Natürlich gibt es Formen der Kompensation.« Er lächelte sein schmallippiges Gelehrtenlächeln. »Eine davon ist die Erinnerung. Ich erinnere mich an alles. Ich entnehme unseren Gesprächen, dass du das nicht tust. Aber du hast ein prozedurales Gedächtnis - das heißt, dass es dir zwar an der bewussten Wahrnehmung vergangener Ereignisse mangelt, dafür speichert dein neurales Netz aber bestimmte Fragmente verschlüsselter Erfahrungen.
Ich bin stets davon ausgegangen, dass du sie mit der Zeit entschlüsseln würdest. Dass ein entsprechender Impuls eine bewusste Erinnerung auslösen würde.«
Ich hob die Hand und er verstummte. Ich brauchte ungefähr eine Minute, bevor ich verarbeitet und verstanden hatte, was er mir gesagt hatte. Schließlich nickte ich und er fuhr mit seiner Geschichte fort.
Das Leben meines Vaters ließ sich in fünf verschiedene Phasen einteilen. Erstens, seine Kindheit, von der er sagte, sie sei eintönig verlaufen: regelmäßige Mahlzeiten, Schlafenszeiten und Unterrichtsstunden. Er sagte, er habe versucht, für mich eine ähnlich eintönige Struktur zu schaffen, und zitierte Bertrand Russells Behauptung, die Monotonie sei essenzieller Bestandteil eines glücklichen Lebens.
Als er aus dem Haus seiner Tante auszog, um an der University of Virginia zu studieren, trat mein Vater in die nächste Phase ein: seine »wilden Jahre«, wie er sie mittlerweile nannte. Das Studium fiel ihm leicht und er verbrachte viel Zeit in Bars und beim Glücksspiel und sammelte Erfahrungen mit Frauen.
Dann begegnete er in Savannah meiner Mutter und die dritte Phase begann.
Sie verließ ihren Mann und bezog eine Wohnung in einem alten Backsteinhaus gegenüber des Colonial-Friedhofs. (Und an dieser Stelle beschrieb meinVater mir - als wolle er sein exzellentes Erinnerungsvermögen unter Beweis stellen - die mit zerbrochenen Austernschalen ausgelegten Pfade, die an den Gräbern entlangführten, und das Muster, das in die Backsteine geritzt war, mit denen der an den Friedhof grenzende Gehweg gepflastert war. Er sagte, es sei ein spiralförmiges Muster gewesen, das er sich nicht gern angesehen hätte. Ich dagegen liebe Spiralen. Du auch? Wenn sie sich im Uhrzeigersinn um ihr Zentrum drehen, symbolisieren sie Schöpfung und Wachstum - Zerstörung, wenn sie sich nach links drehen. Übrigens
Weitere Kostenlose Bücher