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Das Zeichen des Vampirs - The Society of S

Titel: Das Zeichen des Vampirs - The Society of S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hubbard
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erwarten.
    »Ruf an, wenn du angekommen bist«, sagte sie. Ich nickte, aber wir wussten beide, dass ich es nicht tun würde.

    Der Zug hieß »Silver Star«. Er gefiel mir auf Anhieb. Ich blickte mich in meinem Abteil unter den anderen Fahrgästen um - die meisten waren bis zum Kinn in Decken gehüllt und schliefen - und fragte mich, woher sie kamen und wohin sie fuhren. Als der Zugbegleiter, der eine marineblaue Uniform und ein gestärktes weißes Hemd anhatte, meine Fahrkarte prüfte, lächelte er mich freundlich an und nannte mich »Ma’am«. Auch das gefiel mir.
    Manchmal fühlte ich mich eben doch wie eine Dreizehnjährige und nicht so, als würde ich »auf die dreißig zugehen«, wie mein Vater manchmal scherzhaft sagte - alle Sinne hellwach, voller Neugier und Staunen. Heute war solch ein Tag. Als der Zug an Fahrt gewann, stieß er ein hohes Tuten aus, und wir glitten in gleichmäßigem Tempo durch die immer heller werdende Landschaft, durch Wälder, an Seen, Flüssen und gerade erwachenden Städten vorbei. Ein paar Fahrgäste begannen, sich in ihren Sitzen zu rühren und aufzuwachen, manche gingen an mir vorbei zum Bordrestaurant, um zu frühstücken. Ich war zufrieden, wo ich war.
    Ich lehnte mich in meinem Ledersitz zurück, streckte die
Beine auf der Fußstütze aus und ließ mich vom sanften Schaukeln des Waggons in den Schlaf wiegen. Als ich aufwachte, fuhren wir gerade in Jacksonville, Florida, ein. Aus den Lautsprechern kam die Durchsage, dass wir den zehnminütigen Aufenthalt nutzen könnten, um den Zug zu verlassen und im Bahnhof Kaffee und etwas zu essen zu besorgen.
    Ich wollte zwar weder Kaffee noch etwas zu essen, weil ich mir aber ein bisschen die Beine vertreten wollte, stieg ich aus. Ich ging auf dem Bahnsteig hin und her und genoss es, an der frischen Luft zu sein. In Florida roch es ganz anders als in Georgia. Es war immer noch frühmorgens, und der Duft war schwach, aber markant: feucht und erdig mit einem Hauch von Zitronenblüten und modernden Pflanzen. Später erfuhr ich, dass dieser Geruch typisch ist für Landstriche mit üppiger Vegetation, auf die einerseits erbarmungslos die Sonne herabbrennt und in denen andererseits immer wieder heftige Regenschauer niederprasseln.
    Auf dem Bahnsteig stand ein Zeitungskasten. Eine der Schlagzeilen lautete: »Hat Reedys Mörder wieder zugeschlagen?« Und damit nahm mein ruhiger Morgen voller Staunen ein jähes Ende.
    Ich konnte im Fenster des Kastens nur den ersten Absatz des Artikels lesen, in dem stand, dass vergangene Nacht in Savannah eine Leiche gefunden worden war, die in einem ähnlichen Zustand gewesen war wie die von Robert Reedy, der vor vier Monaten in der Nähe von Asheville verstümmelt aufgefunden wurde. Dass die Zeitung verstümmelt schrieb, fand ich merkwürdig.
    Überzeugt davon, dass mir meine Schuld ins Gesicht geschrieben stand, warf ich den Reisenden um mich herum verstohlene Seitenblicke zu, aber niemand schien von mir Notiz
zu nehmen. Ich stieg schnell wieder in den Zug ein und nahm einen Schluck von meinem Tonikum, um mich zu beruhigen. Es war nicht mehr viel in der Flasche, höchstens zwei Tagesrationen. Was würde ich tun, wenn sie leer war?
    Der Zug setzte sich langsam wieder in Bewegung, aber ich hatte keine Freude mehr an seinem sanften Schaukeln. Wenn ich an meine Zukunft dachte, sah ich nur noch einen endlosen Kampf ums Überleben vor mir. Jetzt verstand ich, warum mein Vater unseren Zustand als Gebrechen bezeichnete.

    Südlich von Jacksonville wurde die Landschaft allmählich immer tropischer. Pflanzen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, wuchsen in üppiger Vielfalt - ein Urwald aus Palmen verschiedenster Formen und Größen und dazwischen immer wieder eine bestimmte Baumart, deren Blätter in rötlichen Büscheln wuchsen. Wieder ärgerte ich mich, dass ich ihre Namen nicht kannte.
    Grün schimmernde, mit Wasserlilien getüpfelte Teiche grenzten an Felder, auf denen üppige grüne Ranken wuchsen, die von schwarzen Plastikplanen bedeckt waren. Was hier wohl angebaut wurde? Die Häuser, manche kaum mehr als Hütten oder Bretterbuden, und kleinen Kirchen standen direkt an der Eisenbahnstrecke. Wir fuhren durch Orte mit exotischen Namen: Palatka und Crescent City und Deland. (Obwohl Deland einen hübschen, malerischen Bahnhof hatte, empfand ich die Atmosphäre dort als merkwürdig bedrohlich. Später erfuhr ich, dass es in dieser Gegend häufig zu Naturkatastrophen, Unfällen und Morden kam. Woran liegt es, dass

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