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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Dann
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zeichneten sich in lebendiges Gestein gehauene Einsiedeleien und Klöster ab.
    Litwak seufzte, während er eine Gruppe von Mönchen beobachtete, die darauf warteten, bis sie an die Reihe kamen, eine Strickleiter zum Klosterbereich hinaufzuklettern. Sie sprachen eine fremde Sprache und bekreuzigten sich, ehe sie die Leiter betraten.
    Hier wird es keine Schul geben, sagte er zu sich. Das ist meine Strafe. Ein dürrer gojischer Ort. Aber hier war keine dicke reiche Patina einer verfeinerten Kultur vorhanden. Es war ein schlichtes, ein rauhes echtes Hinterland, das noch nicht von Dibbuks und Kaschinas heimgesucht worden war.
    Litwak schloß Frieden mit den Mönchen und verbrachte die Zeit damit, auf der Spitze einer Tuffsteinkirche in Goreme vor sechshundert Jahren zu sitzen. Er betete und saß da und beobachtete die Mönche. Allmählich gewann er seinen Willen wieder, und die Szene änderte sich.
    Da war ein Mönch, der sah wie Rhampsinitus aus.
    Ein anderer sah wie Moldanado aus.
    Zumindest, dachte Litwak, konnte keine Baptista Founce hier sein. Damit (und durch einen unbewußten Willensakt) fand er sich in seiner Schul am King’s Highway wieder.
    „Willkommen daheim, Moishe“, sagte Hoffa. „Du solltest diese Synagoge öfter aufsuchen.“
    „Moishe?“ fragte Litwak.
    „Na, bist du denn nicht Moishe Hodel, der sich durch das Zeit-Tippen in die Synagoge versetzt hat?“
    „Ich bin Paley Litwak. Und kein anderer.“ Er betrachtete seine Hände. Es waren seine eigenen.
    Aber er befand sich in einer anderen Synagoge. „Heilig, heilig, heilig“, intonierte Rabbi Rhampsinitus. Fünfundzwanzig alte Männer sangen und klagten und beteten auf das Stichwort hin. Sie hatten ihre Barte und Schläfenlocken und trugen konische Käppchen und Gebetsriemen und Talis.
    „So, Moishe“, sagte Rhampsinitus, „du kommst immer noch zurück. Du hast wirklich Gottes Wagen gemeistert.“
    Litwak blieb stehen, entschloß sich, nickte dann und lächelte. Er dachte an die Schul, die er erbaut hatte, und fand sich auf seinem mit Samt bezogenen Lehnstuhl wieder. Aber Baptista Founce saß in der ersten Reihe und betete.
    Ehe sie „Paley“ sagen konnte, saß er auf einer Tuffsteinkirche vor sechshundert Jahren.
    Vielleicht würde er morgen zur Schul gehen. Heute wollte er hier sitzen und Mönche beobachten.

Fenster
     
     
     
    Zwangsverwaltung, dachte er. Bücher, in dickes Leder gebunden, voll vergilbter Pergamentseiten; Wandteppiche, die Schwelgereien à la Bosch, Monstrositäten à la Bok darstellten und die eine in einem Keller der 13 th Street lebende Zigeunerin gewebt hatte; übereinander gestapelte Orientbrücken, made in USA, um den Eindruck von Luxus zu erwecken, um den abgetretenen Holzboden und das brüchige Linoleum zu verbergen, sie alle erstickten ihn mit ihrem klammen Gewicht.
    John ging durch das Zimmer; wenn er stehenblieb, würde er in den bunten Teppich aus durchsichtigem Schlamm oder erhitztem Kunststoff einsinken – Grüntöne, Goldtöne, Ockertöne mit blauen Fäden durchsetzt, zinnoberrote Pfützen, die sich an einer Kupferleiste kräuselten, durchweicht, von seinem eigenen Schweiß glänzend. In Augenhöhe dampften seine mit gummiertem Plastik überzogenen Fußabdrücke in ihren billigen Rahmen.
    An dem offenen Fenster hielt John inne und betrachtete die Silhouette der grauen Gebäude. Das Zimmer schwoll durch die neue Masse, die von draußen hereinsickerte, noch mehr auf. John wandte sich vom Fenster ab und ging zur gegenüberliegenden Wand; tausend Gesichter quollen aus der Feuchtigkeit hervor, dann verblichen sie wieder und ließen nur einige rosa Rinnsale zurück. Als er schneller ging und den Fußabdrücken auf dem Teppich folgte, wirbelten ihm Gedanken durch den Kopf. Wirf etwas Müll über deine Schulter. Es ist nur ein Mond aus Papier. Er gab dem Teppich einen Tritt. Das Zimmer trübte sich einige Sekunden lang. Ein Schleier breitete sich vor seine Augen und dämpfte alles im Raum. Er ließ seinen unscharfen Blick die Deckenbeleuchtung, die Sessel, die Bücherregale und andere Sachen verschwommen vergrößern.
    Im Zimmer wurde es ständig wärmer. John bahnte sich Wege durch die sich aufblähenden, verwischten Formen, die den meisten Platz in Anspruch nahmen; bald würden sie die letzte frische Luft abschneiden und zu einem festen Block schwären.
    Als John ein Taschenbuch einfiel, das er sich versprochen hatte, blieb er vor einem großen Wandregal stehen. Der muffige Geruch der Bücher erinnerte ihn

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