Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)
Entstehungsphasen des Buches tatkräftig unterstützt hat. Sonia war für das Anschauungsmaterial im Buch verantwortlich, überprüfte die Richtigkeit von Zitaten und Quellenangaben, besorgte die Lizenzen für Kunstwerke und Zitate und war an der Redaktion des Textes beteiligt. Bei der Bearbeitung der späteren Kapitel stieß noch Chris Willcox zu uns, ein talentierter junger Künstler, der bei der Gestaltung des Bucheinbands half und uns bei der Nutzung des Kunstprogramms, beim Redigieren und Illustrieren sowie beim Besorgen der Lizenzen für Kunst und Zitate unterstützte.
ANMERKUNGEN
Kapitel 1
So erinnert sich Ronald Lauder an seine erste Begegnung mit Adele Bloch-Bauer:
Als ich den Raum betrat, in dem Adele Bloch-Bauer I hing, blieb ich wie angewurzelt stehen. Sie schien das Wien der Jahrhundertwende zu verkörpern – seinen Reichtum, seine Sinnlichkeit und seine Fähigkeit zur Erneuerung. Ich empfand eine intensive persönliche Verbindung zu dieser Frau und zu dem Mann, der sie so wunderschön auf die Leinwand gebannt hatte (Lillie und Gaugusch, S. 13).
Als Karl V. im Jahre 1556 als Kaiser der Habsburgmonarchie abdankte, übergab er das spanische Erbe an seinen Sohn Philipp II. und bat seinen Bruder Ferdinand von Habsburg, die Nachfolge als Herrscher der Habsburgischen Erblande anzutreten.
Paradoxerweise begünstigte auch der Wiener Börsenkrach 1873 die Entwicklung der Moderne. Zwischen dem 8. und 9. März wurden 230 Konkurse gemeldet. Der »große Krach« breitete sich schnell über Europa aus und zog eine lange Depression nach sich, die die freie Marktwirtschaft wie auch den gerade erblühten Liberalismus aushöhlte. Die Depression und die daraus resultierende Arbeitslosigkeit stachelten die Wiener Unterschicht an; ihre Wut richtete sich gegen die Mittelschicht, der unverhältnismäßig viele Juden angehörten. Die römisch-katholische Kirche Österreichs, die Familie und väterliche Autorität als heiliges Gut erachtete, sah in der liberalen Gesetzgebung von 1868 und der Befürwortung des Marktliberalismus ebenfalls eine potenzielle Bedrohung der Familienwerte.
Dies alles versetzte dem liberalen Aufschwung einen gewissen Dämpfer. Im Jahre 1890 gehörten öffentliche Ausbrüche von Antisemitismus bereits zu den feindlichen Reaktionen, mit denen Angehörige der Arbeiterschicht ihren Unmut gegenüber der freien Marktwirtschaft kundtaten. Diese machte man für den Zusammenbruch des Marktes und die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich. Da viele Befürworter eines freien Marktes Juden waren, schürten deren finanzieller Erfolg als Gruppe wie auch ihr Fortkommen in den medizinischen und juristischen Berufszweigen einigen Groll. 1897 gipfelten diese Strömungen in der Wahl von Karl Lueger, der unverblümt antisemitische Hetzparolen verbreitete, zum Bürgermeister von Wien. Lueger machte den Antisemitismus gesellschaftsfähig – eine politische Strategie, die Hermann Broch passend als »demagogische Verwendung [von] prä-hitlerhaften Methoden … unter katholischem Banner« beschrieb (Broch, S. 71).
Kapitel 2
Wenn ich mich in diesem und einem späteren Kapitel auf Rokitanskys Einfluss berufe, so meine ich damit nicht nur den persönlichen Einfluss eines einzelnen Mannes. Ich möchte vielmehr einen systematischen Eindruck von dem Zeitgeist vermitteln, dessen Galionsfigur Rokitansky war und der den medizinischen und kulturellen Zirkeln Wiens noch Jahrzehnte nach Rokitanskys Tod im Jahre 1878 seinen Stempel aufdrückte. So schreibt Erna Lesky: »Die deutsche Heilkunde aus ihrem naturphilosophischen Traum zu erwecken, sie auf den Boden fester, unwandelbarer, materieller Tatsachen zu stellen, war die Aufgabe, die er sich setzte« (S. 131).
In ihrer exzellenten Abhandlung über Rokitansky weist Lesky, wie auch andere Forscher, darauf hin, dass ihm trotz seines bemerkenswerten Vorwissens und des Beharrens auf evidenzbasierter Medizin gelegentlich schwerwiegende Fehler unterliefen. Insbesondere ein Fehler ist darauf zurückzuführen, dass Rokitansky bei Autopsien zuweilen keine auffälligen pathologischen Veränderungen feststellte, die er für wichtig genug gehalten hätte, um sie als Todesursache zu werten. Daher behauptete er, neben den Krankheiten, die er erfolgreich bestimmten Organen zugewiesen hatte, müsse es eine Reihe »dynamischer Erkrankungen« geben, die mit keinem spezifischen Organ in Zusammenhang stünden. Da Rokitansky der festen Überzeugung war, kein Krankheitsprozess könne ohne eine
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