Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)
Naturwissenschaft einander in spezifischen Aspekten bereichern können. Ich habe die potenzielle Bedeutung der neuen Biologie des Geistes als intellektuell einflussreiche Kraft verdeutlicht, als eine Quelle neuer Erkenntnisse, die einen Dialog zwischen den Naturwissenschaften und den Geistes- sowie Sozialwissenschaften wahrscheinlich erleichtern wird. Dieser Dialog könnte uns helfen, die Hirnmechanismen besser zu verstehen, auf denen künstlerische oder auch naturwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Kreativität beruht, und eine neue Dimension der Geistesgeschichte eröffnen.
222 Snow, C. P., Die zwei Kulturen: Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz , übers. von G. und K.-E. Felten, Stuttgart 1967, S. 97.
223 Berlin, Sir I., Concepts and Categories: Philosophical Essays ,London 1978, S. 159.
224 Greene, B., Das elegante Universum: Superstrings, verborgene Dimensionen und die Suche nach der Weltformel , übers. von H. Kober, Berlin 2000, S. 17.
225 Gould, S. J., The Hedgehog, the Fox, and the Magister’s Pox ,New York 2003, S. 195.
226 Harvey, W., Die Bewegung des Herzens und des Blutes , übers. von R. Ritter von Töply, Leipzig 1910, S. 53f.
DANK
D ie Geschichte dieses Buches reicht beinahe bis ins Wien der Jahrhundertwende zurück. Ich kam am 7. November 1929 in Wien zur Welt, elf Jahre nach dem Zerfall des Habsburgerreiches infolge des verlorenen Ersten Weltkriegs. Österreich hatte zwar immens an Größe und politischer Bedeutung eingebüßt, doch seine Hauptstadt, das Wien meiner Kindheit, war nach wie vor eines der großen Kulturzentren der Welt.
Meine Familie lebte im 9. Bezirk in der Severingasse 8. In der Nähe unseres Hauses befanden sich drei Museen, die ich als Kind nie besuchte. Was in ihnen zu finden war, übte jedoch später eine große Faszination auf mich aus und spielt in diesem Buch eine bedeutende Rolle. Das erste und unserer Wohnung nächstgelegene Museum war das Medizinhistorische Museum Wiens, das Josephinum, wo ich eine Menge über Rokitansky lernte. Das zweite war Freuds Wohnung in der Berggasse, das heutige Sigmund Freud Museum. Ein Stück weiter entfernt, im 4. Bezirk, befand sich das Obere Belvedere; es beherbergt die weltweit größte Sammlung an Werken von Gustav Klimt, Oskar Kokoschka und Egon Schiele, den Malern der österreichischen Moderne.
Im Frühjahr 1964, ich war erst kurz zuvor von einem Forschungsjahr in Paris zurückgekehrt, das ich mit einem Besuch in Wien verbunden hatte, ging ich zu Mirsky’s Gallery in der Bostoner Newbury Street. Dort kaufte ich die 1922 entstandene Kokoschka-Lithografie eines jungen Mädchens, Trude, die meine Fantasie beflügelt hatte. Damals wie heute faszinieren mich die frühen Porträts von Kokoschka ganz besonders – die Darstellungen verfolgten mich nicht nur als greifbare Erinnerungen an das verlorene Wien meiner Kindheit, sondern auch, weil der große Kunsthistoriker Ernst Gombrich meinen Eindruck von Kokoschkas bemerkenswerter Porträtierkunst bestätigt hatte. Bei einem kurzen Zusammentreffen in Harvard, wo Gombrich im Sommer 1951 eine Gastprofessur innehatte, sagte er mir, er halte Kokoschka für den bedeutendsten Porträtmaler unserer Zeit.
Kokoschkas Porträt von Trude war das Erste einer allmählich wachsenden, bescheidenen Sammlung von Papierarbeiten der Expressionisten Wiens und Deutschlands, die meine Frau Denise und ich mit den Jahren angelegt haben und die uns sehr viel Freude bereitet. Hier fühle ich mich an Sigmund Freuds Sammelleidenschaft für Antiquitäten erinnert, der in einem Brief an seinen ungarischen Psychiatriekollegen Sándor Ferenczi gestand: »Sonderbare geheime Sehnsüchte steigen in mir auf, … nach … einem Leben ganz anderer Art, spätkindische Wünsche, unerfüllbar und der Wirklichkeit unangepaßt« (aus Freud und Ferenczi, S. 133).
30 Jahre später, im Juni 1994, wurde mir für meine Arbeiten über die Molekularbiologie des Gedächtnisses die Ehrendoktorwürde der Medizinischen Universität Wien verliehen. Als mich Helmut Gruber, der Dekan der Medizinischen Fakultät, darum bat, im Namen der an jenem Tage Geehrten eine Ansprache zu halten, entschloss ich mich, von meinem frühen Interesse an der Wiener Medizinischen Schule zu erzählen, insbesondere von ihren bahnbrechenden Beiträgen zur modernen und wissenschaftlichen psychoanalytischen Medizin.
Als im Jahre 2001 die Reihe an mir war, vor der Practitioners Society, einer kleinen Gruppe von Schulmedizinern in New York,
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