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Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Titel: Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Kandel
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Auges erreichen, fokussiert die Linse sie auf die Netzhaut, wo sie von Fotorezeptoren aufgenommen werden. Fotorezeptoren sind eine geordnete Ansammlung lichtempfindlicher Nervenzellen, die sowohl auf die Position der Lichtquelle als auch auf Intensität und Farben des von ihr ausgehenden Lichts reagieren. Die Fotorezeptoren reagieren auf die Photonen des Lichts und wandeln sie in Muster elektrischer Signale – einen neuronalen Code – um. Diese Signale werden zu den Ganglienzellen, den Outputneuronen der Netzhaut, geleitet. Die Axone der Ganglienzellen der Netzhaut bilden den Sehnerv, der die Informationen zur primären Sehrinde transportiert (Abb. 15-4). Auf diese Weise empfängt und verarbeitet die Netzhaut alle visuellen Eindrücke der Außenwelt und übermittelt sie zum Sehsystem im Gehirn.

    Abb. 15-4.
Die äußere Hülle des Auges, die Lederhaut oder Sklera , hält das Auge in Form. Vorne geht die Lederhaut in die transparente Hornhaut oder Cornea über. Das Licht tritt durch die Hornhaut ins Auge ein und wird von der Linse fokussiert. Die Iris ist der farbige Teil des Auges. Sie bildet die Pupille, eine runde Öffnung, die je nach Helligkeit des einfallenden Lichts größer oder kleiner wird. Das durch die Pupille eindringende Licht fällt auf die Linse, wo es gebrochen wird, bevor es die Netzhaut im Augenhintergrund erreicht.
    Die Netzhaut enthält vier Typen von Fotorezeptoren – drei Typen von Zapfen sowie Stäbchen eines Typs. Die Zapfen ermöglichen uns das Erkennen von Details und damit auch die Wahrnehmung von Kunst. Sie sind bei Tageslicht und in hell erleuchteten Räumen aktiv und empfindlich für Kontraste, Farben und feine Einzelheiten (Abb. 15-5). Zapfen sind über die gesamte Netzhaut verteilt; sie sind jedoch die einzigen Fotorezeptoren, die im Zentrum vorkommen, in der Sehgrube oder Fovea , dem Bereich des schärfsten Sehens. In der Sehgrube stehen die Zapfen am dichtesten; demzufolge sind die fovealen Zapfen für die visuelle Unterscheidung von Gesichtern, Händen, Objekten, Szenen und Farben von zentraler Bedeutung. Zur Peripherie der Netzhaut hin werden die Zapfen immer spärlicher. Daher ist die Auflösung in der Peripherie niedriger und die visuelle Information, die von diesem Bereich der Netzhaut ausgeht, unscharf.
    Jeder der drei Zapfentypen enthält ein anderes Farbpigment und ist für eine bestimmte Komponente des Farbspektrums am empfindlichsten – für Tiefviolett, Grün oder Dunkelrot. So absorbiert beispielsweise ein grünes Auto alle Frequenzen des darauf treffenden sichtbaren Lichts, mit Ausnahme der Frequenzen, die Grün ergeben. Diese Frequenzen werden von dem Auto reflektiert. Die für Grün empfindlichen Zapfen reagieren darauf und das Gehirn nimmt das Auto als grün wahr.

    Abb. 15-5.
Im Zentrum der Netzhaut befinden sich kleine dicht stehende Zapfen.Zum Rand der Netzhaut hin werden sie größer, aber auch spärlicher und werden von immer größeren Stäbchen durchsetzt.
    Das Farbensehen ist für eine grundlegende visuelle Unterscheidung von zentraler Bedeutung. Es ermöglicht uns, Muster zu entdecken, die sonst unerkannt blieben, und trägt, gemeinsam mit Helligkeitsunterschieden, entscheidend zur Verschärfung des Kontrasts zwischen den Elementen eines Bildes bei. Doch ohne irgendwelche Helligkeitsunterschiede, allein mithilfe der Farbe, sind räumliche Einzelheiten verblüffend schlecht zu erkennen (Abb. 15-6).



Farben bereichern auch unser Gefühlsleben. Wir schreiben Farben emotionale Eigenschaften zu, und unsere Reaktion auf diese Eigenschaften verändert sich mit unserer Stimmung. So können Farben für verschiedene Menschen etwas Unterschiedliches bedeuten. Künstler, vor allem die Maler der Moderne, haben mit übertriebenen Farben emotionale Effekte erzeugt, doch die Intensität oder gar die Art der Emotion hängen vom Betrachter und vom Kontext ab. Diese Mehrdeutigkeit von Farben ist vielleicht ein weiterer Grund dafür, dass ein einziges Gemälde bei verschiedenen Betrachtern so unterschiedliche Reaktionen auslösen kann – oder sogar bei ein und derselben Person zu verschiedenen Zeiten.
    Die Stäbchen sind den Zapfen zahlenmäßig weit überlegen – das Verhältnis beträgt etwa 100 Millionen zu 7 Millionen. Bei Tageslicht oder normalen Lichtverhältnissen in Innenräumen sind sie unwirksam, weil sie bei dieser Lichtintensität gesättigt sind. Stäbchen liefern auch keine Informationen über Farben und tragen daher normalerweise nicht zu unserer

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