Das Zeitalter der Fuenf 01 Priester
stand bereit, nur ein kleines Bündel mit weißen Kleidern zum Wechseln und einigen Geschenken für die Siyee. Alles, was sie brauchte, würde sie von den Priestern und Priesterinnen der Tempel bekommen, in denen sie Quartier nahm.
Sobald sie in den Bergen war, würde es keine Tempel mehr geben. Die Siyee hatten ihr versichert, dass sie auch in ihrem Land alles Notwendige vorfinden würde. Sie würden sie mit allen Annehmlichkeiten einer zivilisierten Kultur versorgen, wie zum Beispiel Papier und Tinte, die sie selbst herstellten. Außerdem würde Auraya eine eigene »Laube« zugewiesen bekommen, um darin zu wohnen.
Schließlich stand sie auf, trat ans Fenster und blickte nach unten. Die Kuppel zeichnete sich als dunkler, von Laternen gesäumter Schemen vor dem Himmel ab. Einige Priester und Diener eilten umher. Die Stadt unter ihr war eine Ansammlung von Lichtern in einem Meer aus tiefer Schwärze.
Ein Tarn, in dem mehrere Heilerpriester saßen, fuhr in den Tempelbezirk ein. Auraya beobachtete die Ankunft zweier Plattans, dann beschleunigte sich ihr Herzschlag, als sie einen weiteren Wagen unter dem Torbogen hindurchfahren sah. Nur eine einzige Person saß darin. Selbst aus dieser Höhe erkannte sie Leiard mit seinem weißen Haar und seinem ebenso weißen Bart sofort.
Als der Plattan näher kam, blickte Leiard auf. Ein Lächeln glitt über Aurayas Züge, obwohl sie wusste, dass er sie nicht sehen konnte.
Sie trat von dem Fenster weg und begann, im Raum auf und ab zu gehen. Ob er es ihr übelnahm, dass sie ihn hatte rufen lassen? Plötzlich erschien es ihr töricht, dass sie ihn hergebeten hatte, nur um sich von ihm zu verabschieden. Sie hätte stattdessen einen Brief schicken können. Sie hätte ihn aufsuchen können... Nein, damit hätte sie die ganze Familie gestört, bei der er zur Zeit wohnte.
Nun, jetzt lässt es sich nicht mehr ändern, befand sie. Ich werde mich entschuldigen, auf Wiedersehen sagen und ihn dann heimschicken. Bis ich nach Jarime zurückkomme, wird er mir verziehen haben.
Sie setzte ihr rastloses Auf und Ab im Raum fort. Warum brauchte er so lange? Vielleicht hatte sie sich geirrt. Sie ging wieder ans Fenster.
Ich könnte den Priester befragen, der Dienst tut ...
Als sie ein leises Klopfen von der Tür hörte, erstarrte sie, dann atmete sie tief durch.
Er ist hier.
Sie strich ihren Zirk glatt, schritt zur Tür hinüber und öffnete sie. Leiard musterte sie mit erwartungsvoller Wachsamkeit.
»Leiard. Komm herein.« Sie hielt ihm die Tür auf. »Ich entschuldige mich für die späte Stunde. In den letzten Tagen hatte ich keinen Augenblick für mich allein und keine Zeit, mich wie versprochen mit dir zu treffen. Morgen werde ich aufbrechen, und ich konnte nicht fortgehen, ohne mich zu verabschieden.«
Er nickte langsam, und sie war erfreut zu sehen, dass er nicht verärgert war, sondern nur erleichtert. Jetzt erst wurde ihr bewusst, dass sie ihn beunruhigt haben musste, indem sie ihn so spät noch in den Turm bat. Warum hatte sie das nicht vorhergesehen?
»Wahrscheinlich hätte ich dir einfach eine Nachricht schicken sollen«, fügte sie kläglich hinzu. »Statt dich aufzuwecken.«
Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. »Es macht mir nichts aus.«
»Ich muss mich nicht nur von dir verabschieden, ich wollte mich auch bei dir bedanken.« Sie hielt kurz inne, dann griff sie nach seiner Hand. Als ihre Finger sich berührten, holte sie Luft, um etwas zu sagen, brach jedoch jäh ab, als sie in seine Augen sah. Sein Blick war angespannt und wachsam, als hätte er Mühe, irgendein Gefühl unter Kontrolle zu halten. Sie schaute näher hin. Seine Gedanken waren in Aufruhr. Ihre Berührung hatte ihn …
Eine Woge der Wärme schoss durch ihren Körper. Ihre Berührung hatte ihn erregt. Er kämpfte gegen sein Verlangen nach ihr.
Ich habe nicht gewusst, dass seine Bewunderung so tief geht … aber wahrscheinlich war das bisher nicht so, sonst hätte ich es in seinen Gedanken gelesen. Dies ist etwas Neues. Dies ist erst heute Nacht geschehen. Gerade eben erst.
Ihr Herz raste.
Ihr eigener Körper reagierte auf sein Verlangen. Sie spürte ein Lächeln auf ihren Lippen. Ich begehre ihn. Jetzt haben wir beide etwas herausgefunden.
Sie war sich des angespannten Schweigens zwischen ihnen deutlich bewusst. Das einzige Geräusch im Raum war ihr Atem. Keiner von ihnen bewegte sich. Wir soll ten uns voneinander lösen und so tun, als sei dies nie geschehen. Stattdessen streckte sie die Hand
Weitere Kostenlose Bücher