Das Zeitalter der Fuenf 01 Priester
konnte seine Erleichterung nicht allzu gut verbergen. »Dann kehrst du also zurück nach... wie hieß der Ort noch?«
»Oralyn.«
»Wo liegt das?«
»In der Nähe der dunwegischen Grenze, am Fuß der Berge.«
Jayim öffnete den Mund, um zu sprechen, erstarrte jedoch, als er ein Klopfen hörte. »Es ist jemand an der Tür, Mutter.«
»Dann mach auf.«
»Aber...« Jayim sah Leiard an. »Ich leiste unserem Gast Gesellschaft.«
Tanara seufzte und erhob sich. Sie ging zur Haupttür hinüber und entschwand ihren Blicken. Leiard lauschte dem Klatschen ihrer Sandalen auf dem gekachelten Boden. Er hörte, wie die Tür geöffnet wurde, dann erklangen Frauenstimmen. Schritte näherten sich.
»Wir haben eine Kundin«, erklärte Tanara, als sie den Raum betrat. Eine Frau, die sich in einen weiten Umhang aus schwarzem Tuch gehüllt hatte, trat ein. Sie hatte sich das Tuch über den Kopf gezogen, so dass ihr Gesicht verborgen blieb.
»Ich komme nicht, weil ich deine Heilkünste in Anspruch nehmen möchte«, erklärte die Frau. »Ich bin hier, um einen alten Freund zu sehen.«
Die Stimme jagte Leiard einen Schauer über den Rücken, aber er war sich nicht sicher, warum. Unwillkürlich erhob er sich von seinem Platz. Die Frau nahm das Tuch von ihrem Kopf und lächelte.
»Sei mir gegrüßt, Traumweber Leiard.«
Ihr Gesicht hatte sich verändert. Es hatte die weiche Rundlichkeit der Kindheit verloren, und Leiard bemerkte die Eleganz, mit der Kinn und Stirn geformt waren, und die hohen Wangenknochen. Das Haar hatte sie sich zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt, wie sie die Reichen und Modischen bevorzugten. Außerdem wirkte sie größer.
Aber ihre Augen waren dieselben geblieben. Groß, ausdrucksstark und voll wacher Intelligenz blickten sie ihn forschend an. Sie muss sich fragen, ob ich mich an sie erinnere, dachte er. Das tue ich, aber so ist sie mir nicht im Gedächtnis geblieben.
Auraya war zu einer verblüffend schönen Frau herangewachsen. In Oralyn wäre ihre Schönheit niemals aufgefallen. Sie hätte zu zerbrechlich gewirkt und zu mager. Die Mode der Stadt stand ihr besser.
Die Mode der Stadt? Sie ist nicht hierhergekommen, um sich für Mode zu interessieren, sondern um Priesterin zu werden. Bei diesem Gedanken fielen ihm seine Gastgeber wieder ein. Das Wissen, dass sie eine Priesterin der Zirkler in ihrem Haus hatten, erschreckte sie vielleicht - vor allem, da es sich um eine Hohepriesterin handelte. Zumindest hatte Auraya Verstand genug, die Gewänder ihres Standes zu bedecken. Er drehte sich zu Tanara um.
»Gibt es einen Ort, an dem die Dame und ich ungestört reden können?«
Tanara lächelte. »Ja. Auf dem Dach. An einem Sommerabend ist es sehr schön dort oben. Folgt mir.«
Die Frau führte sie durch den Gemeinschaftsraum zu der Treppe gegenüber der Haupttür. Als Leiard aufs Dach hinaustrat, war er überrascht, festzustellen, dass sich überall Topfpflanzen und abgenutzte Holzstühle befanden. Er konnte die benachbarten Wohnungen und andere Menschen sehen, die sich in ihren Dachgärten entspannten.
»Ich werde euch etwas Kühles zum Trinken holen«, sagte Tanara und verschwand wieder die Treppe hinunter.
Auraya nahm Leiard gegenüber Platz und seufzte. »Ich hätte dir eine Nachricht schicken und dich von meinem Besuch in Kenntnis setzen sollen. Oder ich hätte einen anderen Treffpunkt vorschlagen können. Aber sobald ich erfahren hatte, dass du hier bist...« Sie lächelte schief. »Ich musste einfach sofort kommen.«
Er nickte. »Du hast das Bedürfnis, mit jemandem über deine Mutter zu reden, der sie kannte«, bemerkte er.
Ihr Lächeln verblasste. »Ja. Wie ist sie denn...?«
»Alter und Krankheit.« Er breitete die Hände aus. »Ihre Krankheit hat, als sie älter wurde, einen höheren Tribut gefordert als zuvor. Zu guter Letzt konnte sie sich nicht mehr dagegen wehren.«
Auraya nickte. »Das war also alles? Sonst nichts?«
Er schüttelte den Kopf. »Wenn jemand eine Krankheit über lange Zeit hinweg in Schach gehalten hat, ist es für die anderen oft eine Überraschung, wenn der Tod schließlich doch kommt.«
Sie verzog das Gesicht. »Ja - vor allem, wenn der Zeitpunkt, da es geschieht... unglücklich ist.« Sie stieß einen langen Seufzer aus. »Wie geht es Vater?«
»Er war wohlauf, als ich Oralyn verließ. Natürlich trauerte er, aber er hat den Tod deiner Mutter auch akzeptiert.«
»Du hast dem Akolythen erzählt, du hättest die Nachricht in den Händen eines betrunkenen Kuriers
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