Das Zeitalter der Fuenf 01 Priester
argwöhnen, dass der Traumweber irgendein anderes Ziel verfolgte als die Verringerung der Konflikte zwischen seinen Leuten und den Zirklern.
Und doch war irgendetwas seltsam an Leiard. Zum einen veränderte sich sein Verhalten Auraya gegenüber von einem Augenblick zum nächsten. Manchmal war er still, und seine Haltung und seine Sprache verrieten großen Respekt; zu anderen Zeiten war sein Tonfall voller Autorität und Selbstbewusstsein. Vielleicht gewann er sein Selbstbewusstsein zurück, wenn er vergaß, wer sie war, nur um es von neuem zu verlieren, wenn es ihm wieder einfiel.
Oder gab es einen anderen Grund dafür? Danjin war sich nicht sicher. Vielleicht war es Leiards Nervosität im Umgang mit den anderen Weißen, die ihm zu schaffen machte. Obwohl Leiard während der Gespräche über die Allianz mehrmals mit Mairae zusammengekommen war, begegnete er ihr stets mit wachsamer Höflichkeit. In Dyaras Gegenwart widerstrebte es ihm offenkundig, überhaupt etwas zu sagen, obwohl das wahrscheinlich daran lag, dass die ältere Frau keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Heiden machte. Bei einer ihrer ersten Begegnungen hatte Dyara Leiard befragt, bis Mairae einwandte, dass die Hälfte der für ihr Gespräch vorgesehenen Zeit von dem »Verhör« in Anspruch genommen werde. Danjin vermutete, dass Dyara Anstoß an Leiards Wortkargheit und seinen vagen Antworten nahm. Ihre Unzufriedenheit führte nur zu weiteren Fragen.
Einmal war Rian während einer solchen Besprechung erschienen, aber er war Leiard vollkommen gleichgültig gegenübergetreten. Juran war der einzige Weiße, in dessen Gesellschaft Danjin Leiard noch nicht erlebt hatte. Es wäre gewiss eine interessante Begegnung. Danjin vermutete, dass kaum etwas Leiard mehr Unbehagen bereiten würde als das Zusammentreffen mit dem Mann, der den Begründer seines Kults getötet hatte.
Während der Käfig langsam von unten auf sie zuglitt, fragte sich Danjin, ob Leiards Befangenheit vielleicht einfach ansteckend war. Ich fühle mich in seiner Gegenwart unbehaglich, weil er sich unter den Menschen unbehaglich fühlt, die mir so viel bedeuten.
In einem Punkt war er sich sicher: Er würde Leiard genau im Auge behalten. Die Weißen mochten schwer zu hintergehen sein, aber er hätte niemals darauf gewettet, dass etwas Derartiges unmöglich war.
Die äußeren Arme der Bucht von Jarime hatten sich während der letzten Stunde langsam enger zusammengezogen und zeigten sich jetzt als Reihen hoher Klippen zu beiden Seiten. Auraya sah voller Interesse zu, wie die Mannschaft der Herold ihre Arbeit tat. Das Schiff fuhr aus der Bucht, dann zwischen den beiden gewaltigen Felssäulen hindurch, die als die »Wächter« bekannt waren. Als sie die Gewässer der Spiegelstraße erreichten, wurde die Fahrt langsam ruhiger.
»Früher bin ich auf Schiffen immer seekrank geworden.«
Auraya sah zu Mairae hinüber. Sie saßen am Heck, wo sich entlang der Reling hölzerne Bänke zogen. Man hatte weiche Kissen für sie bereitgelegt, und ein Baldachin schirmte sie vor der grellen Sonne ab. Leiard und Danjin standen am Bug, und unten im Schiffsrumpf war eine kleine Gruppe von Dienern damit beschäftigt, ein leichtes Mahl zuzubereiten.
»Tatsächlich?«, fragte Auraya.
»Ja. Es war so schlimm, dass ich den größten Teil der Reise praktisch ohne Bewusstsein war.« Mairae legte sich eine Hand über die Augen. Das Sonnenlicht funkelte auf dem weißen Ring an ihrem Mittelfinger. »Manchmal sind es gerade die kleinsten Gaben der Götter, die ich am meisten zu schätzen weiß.«
Auraya blickte auf ihren eigenen Ring hinab, dann schaute sie zu der Tür, die zu den Räumen unter Deck führte.
»Ich hoffe, dass Leiard und Danjin die Reise gut verkraften werden.«
»Der Traumweber hat gewiss seine eigenen Methoden, um Seekrankheit zu kurieren, und Danjin hat sich wahrscheinlich Heilmittel dagegen mitgenommen. Er ist immer aufs Beste vorbereitet.«
»Ja.« Auraya lächelte. »Ich weiß nicht, was ich ohne ihn tun würde.« Sie wandte sich zu Mairae um. »Du hast keinen Ratgeber?«
»Zu Anfang hatte ich jemanden, der in meinem Dienst stand. Sein Name war Wesso, aber ich habe ihn immer Westie genannt, weil er von der Insel Irian kam und sein Akzent so stark war, dass man ihn bisweilen kaum verstehen konnte. Er war fast zehn Jahre lang mein Ratgeber.« Ein geistesabwesender Ausdruck trat in ihre Augen. »Zu der Zeit brauchte ich ihn bereits nicht mehr, aber wenn ich ihn entlassen hätte, hätte ihn
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