Das Zeitalter der Fuenf 03 Goetter
Kereons über eins seiner Lieblingsthemen erdulden musste. Der einzige Denker, der Ray im Alter nahe stand, war Yathyir, aber Ray vermutete insgeheim, dass seine dekkarenischen Eltern einen Pakt mit den Göttern geschlossen haben mussten: Die Götter hatten ihrem Sohn anscheinend ein brillantes Gedächtnis für Fakten mitgegeben und ihm im Gegenzug jedwede Fähigkeit genommen, gesellschaftliche Normen, Scherze oder Unterströmungen eines Gesprächs zu verstehen.
Also, warum bin ich noch hier? Nun, man hat mir ein Angebot gemacht, das zu gut war, um es abzulehnen ...
»Worüber lächelst du, Ray?«
Als er sich umdrehte, stellte er fest, dass Mikmer ihn argwöhnisch beobachtete, und sein Gewissen regte sich. Zum Ausgleich dafür grinste Ray umso breiter. »Ich habe gerade ausgerechnet, wie viel Gold mir die Schriftrolle einbringen wird, wenn ich sie verkaufe.«
Die anderen starrten ihn an.
»Wir werden die Schriftrolle nicht verkaufen!«, erklärte Barmonia, dessen Gesicht bereits rot angelaufen war.
»Oh, das hatte ich auch nicht erwartet«, stimmte Ray ihm zu. »Aber ihr werdet sicher eine Menge bezahlen, um sie von mir zu bekommen.«
Yathyir lächelte. »Er hat die Absicht, sie selbst zu finden.«
Barmonia zog die Augenbrauen hoch. »Du glaubst, du schaffst das ohne unsere Hilfe, ja?«
»Vielleicht«, antwortete Ray und lehnte sich mit bewusster Lässigkeit auf seinem Stuhl zurück. »Sofern ich diese Frau überreden kann, mir zu helfen, nachdem ihr sie neulich so rüde behandelt habt.«
»Diese Frau aus dem Norden!«, schnaubte Barmonia. »Du kannst sie gern haben. Alles, was du von ihr bekommen wirst, ist die Krätze.«
»Weil alle Frauen aus dem Norden krank sind, nicht wahr?«
Der hochgewachsene Mann erwiderte seinen Blick ungerührt. »Keine Frau von einwandfreier Moral würde allein reisen.«
»Zumindest keine moralisch einwandfreie Frau ohne Befähigungen«, bemerkte Mikmer.
»Sie besitzt Befähigungen?«, fragte Yathyir und wandte sich zu Mikmer um. »Woher weißt du das?«
Der ältere Mann zog die Schultern hoch. »Eine wohlbegründete Vermutung.«
»Aber du weißt es nicht mit Bestimmtheit?«, hakte Yathyir nach.
Mikmer verdrehte die Augen. Er war nicht gerade der geduldigste, erst recht nicht Yathyir gegenüber, wenn dieser eine seiner Bemerkungen wieder einmal zu wörtlich nahm. »Natürlich nicht. Hat sie Magie benutzt, während sie hier war? Nein. Ist es wahrscheinlich, dass ich sie aufgesucht und sie gebeten habe, mir ihre Fähigkeiten zu demonstrieren, und sie sich dazu bereitgefunden hat? Nein.«
»Oh«, erwiderte Yathyir nachdenklich. Glücklicherweise nahm er niemals Anstoß an Mikmers Sarkasmus. Er akzeptierte ihn als das normale Benehmen eines älteren, erfahreneren Denkers.
»Denkst du, wir sollten diese Frau benutzen?«, fragte Kereon Ray.
Alle wandten sich zu ihm um. Kereon sprach nur selten, aber wenn er das Wort einmal ergriff, konnte er sich stundenlang in ein Thema verbeißen.
»Ja, allerdings«, antwortete Ray. »Sie hat die Tafel gelesen, als sei sie in ihrer eigenen Sprache geschrieben, und angedeutet, dass sie Alt-Sorl lesen könne.«
»Und wenn wir sie hierherholen und sie es nicht kann?«, fragte Mikmer.
»Dann ist kein Schaden entstanden.«
»Es sei denn, sie erführe von uns etwas über die Schriftrolle«, warnte Yathyir.
»Sie wird nichts erfahren, was wir sie nicht wissen lassen wollen. Sie braucht lediglich zu versuchen, die Knochen zu lesen.«
»Und wenn sie sie versteht, wird sie wissen, worauf wir aus sind«, wandte Barmonia ein. »Dieses Risiko können wir nicht eingehen.«
»Warum nicht? Was kann sie schon mit dieser Information anfangen?«
»Sie könnte sich selbst auf die Suche nach der Schriftrolle machen.«
»Nicht wenn wir sie einladen, sich uns anzuschließen.«
»Sie soll sich uns anschließen?«, rief Barmonia aus. »Wir arbeiten nicht mit irgendeiner fremdländischen Schlampe zusammen.«
»Sie wird uns die Anerkennung dafür streitig machen«, pflichtete Mikmer ihm bei.
»Mach dich nicht lächerlich«, sagte Kereon, was ihm einen erstaunten Blick von Barmonia eintrug. »Wer würde ihr glauben? Niemand.« Er beugte sich vor und richtete seine nächsten Worte vor allem an Barmonia. »Wenn sie uns helfen kann, werden wir sie in unserer Mitte willkommen heißen. Sie wird das Angebot annehmen, weil sie anderenfalls weder unsere übrigen Artefakte zu sehen bekäme, noch erfahren würde, was wir wissen. Wenn wir herausfinden, wo die
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