Das Zeitalter der Fuenf 03 Goetter
freigelassene Siyee war jetzt nur noch ein Tupfen am nebligen Morgenhimmel. Aus den Augenwinkeln sah Auraya, wie Nekaun die Arme sinken ließ, und sie wusste, dass das Spiel nun von neuem beginnen würde.
»Ich dachte, wir könnten heute zusammen die Stadt erkunden«, bemerkte er leichthin. »Ich würde dich gern mit meinem Volk bekannt machen.«
Sein Volk, überlegte sie. Als sei er der alleinige Herrscher dieses Kontinents. Ich frage mich, wie die anderen Stimmen das finden mögen.
»Das wäre interessant«, antwortete sie. »Ich habe inzwischen sicher alles im Sanktuarium gesehen und jeden kennengelernt - bis auf die anderen Stimmen natürlich.«
»Sie können es kaum erwarten, dir vorgestellt zu werden«, erwiderte er.
Sie lächelte dünn. »Das bezweifle ich.«
Er kicherte. »Du darfst nicht vergessen, dass sie dir im Gegensatz zu mir einmal auf dem Schlachtfeld gegenübergestanden haben. Möglicherweise hast du sie damals ziemlich eingeschüchtert.«
Eingeschüchtert? Sie runzelte die Stirn. Er wird sich wohl eher Sorgen machen, dass sie mich angreifen und damit sein Versprechen brechen könnten, dass mir hier nichts geschehen wird.
Er deutete auf die Treppe. »Wollen wir weitergehen?«
Sie folgte ihm in das Gebäude und dann weiter durch das Sanktuarium. Turaan eilte schweigend hinter ihnen her. Mehrere Götterdiener blieben stehen, um sie kurz anzustarren, bevor sie weitergingen. Aus ihren Gedanken las sie eine mittlerweile vertraute Mischung aus Neugier und Abneigung ihr gegenüber. Die Pentadrianer kannten sie nur aus der Schlacht. Sie war eine Feindin, die ihren früheren Anführer getötet hatte. Sie akzeptierten jedoch Nekauns Urteil und waren zu dem Schluss gekommen, dass sie, wenn er Auraya mit Höflichkeit begegnete, das Gleiche tun sollten.
Ihre Wertschätzung für Nekaun war hoch, aber dahinter verbarg sich nicht die gleiche Zuneigung, die sie für die anderen Stimmen empfanden. Außerdem hatte sie Gedanken aufgefangen, in denen man ihn mit seinem Vorgänger verglich, und diese Informationen sagten ihr, dass die Menschen Nekaun zwar mochten und respektierten, dass sie Kuar jedoch verehrt hatten.
Diese Verehrung möchte Nekaun ebenfalls, vermutete sie. Was wird er tun, um sie sich zu verdienen? Sie schauderte. Noch einmal Nordithania angreifen? Aber indem er sie mit seinem Volk bekannt machte, hatte er einen kleinen Schritt getan, um das Verständnis zwischen Zirklern und Pentadrianern zu fördern. Vielleicht hoffte er, dass es ihm Ansehen bei seinem Volk bringen würde, wenn er einen Krieg vermied.
Sie hatten jetzt die große Halle erreicht, durch die man ins Sanktuarium kam. Es waren genauso viele Menschen zugegen - Götterdiener und andere - wie an dem Tag, an dem Nekaun sie zum ersten Mal hierhergeführt hatte. Die Leute blieben stehen, um sie zu beobachten, während sie Nekaun zu der überwölbten Fassade vor dem Gebäude folgte. Er trat hindurch und ging die breite Treppe hinab.
Am Rand der Straße unter ihnen standen neben einer Sänfte mehrere muskulöse, barbrüstige Männer und ein Götterdiener. Als Auraya genauer hinschaute, fing sie Langeweile und Groll, aber auch Resignation auf. Dies waren die ersten Sklaven, die sie sah. Nekaun hatte ihr von der Tradition, Verbrecher zu versklaven, erzählt. Es war eine neuartige Idee für sie - vielleicht barmherziger als die Hinrichtung -, auch wenn sie lediglich den Götterdienern von Nutzen war, da das System nur funktionierte, wenn die Sklavenmeister genug Gaben besaßen, um Rebellionen zu unterdrücken.
Nekaun half ihr in die Sänfte, wo sie ihm und seinem Gefährten gegenüber Platz nahm. Der Götterdiener blaffte einige Befehle, und die Sklaven bückten sich, um die Sänfte aufzunehmen. Es war ein beunruhigendes Gefühl, von den Männern getragen zu werden. Obwohl ihr nichts Schlimmeres passieren konnte, als dass sie die Sänfte fallen ließen, konnte sie ihr Unbehagen nicht unterdrücken.
Auf Nekauns Anweisung hin gingen sie die breite Hauptstraße der Stadt hinunter. Ihr Gastgeber begann zu sprechen, und Turaan übersetzte. Er redete von den Häusern, die vor langer Zeit abgerissen worden waren, um diese Promenade zu schaffen, und von anderen Veränderungen, die man vor hundert Jahren vorgenommen hatte. Auraya hörte kaum zu. Ihre Aufmerksamkeit galt den Gedanken der Menschen um sie herum.
Als sie die Sänfte bemerkten, blieben sie stehen, um das Geschehen zu beobachten. Anfangs war es Nekaun, dem ihr Interesse galt, da der
Weitere Kostenlose Bücher