Das Zeitalter der Fuenf 03 Goetter
»Niemand schert sich um uns. Weder die Neuankömmlinge noch die Krieger oder die Weißen. Wenn wir den Neuankömmlingen nicht gleichgültig wären, wären sie nach Hause gegangen, statt uns alle in Schwierigkeiten zu bringen.«
»Wir haben versucht, die Situation zu verbessern«, bemerkte eine Frau. Lu erkannte Noeneis Stimme. Lu hatte die Würde und die Gelassenheit der anderen Frau immer bewundert. Jetzt, auf dem Weg nach Chon und zu ihrem Richter, spielten solche Eigenschaften keine Rolle mehr.
»Ihr hättet die Diener nicht herholen sollen«, sagte Roi. »Das hat ihre Aufmerksamkeit erregt.«
»Wir... wir wollten ihnen nur helfen.«
»Nun, das habt ihr aber nicht getan. Seht euch doch nur an, was aus uns geworden ist. Wir alle werden sterben, weil ihr nicht wusstet, wann ihr aufhören musstet.«
Abermals trat Stille ein.
»Warum konntet ihr euren Göttern nicht um unserer Götter willen abschwören?«, fragte jemand, der weiter weg lag, mit unüberhörbarer Wut. »Nicht einer von euch ist zum zirklischen Glauben übergetreten, aber viele von uns sind Pentadrianer geworden. Wenn ihr wirklich Dunweger hättet werden wollen, wie ihr behauptet habt, hättet ihr euch dem Zirkel angeschlossen.«
Ein anderer der Neuankömmlinge, der zu weit entfernt war, als dass Lu ihn hätte verstehen können, antwortete.
»Eure Götter helfen euch jetzt nicht, oder?«, fragte eine Frau voller Bitterkeit. »Und sie helfen uns auch nicht. Ich wünschte, ihr wärt nie hierhergekommen!«
Andere Stimmen gesellten sich dem Streit bei. Gers Husten wurde lauter. Weitere Anklagen erklangen. Plötzlich riefen viele Menschen durcheinander. Aufgestaute Wut und Angst ließen die Luft vibrieren. Jemand sprang auf, und Lu zuckte zusammen, als der Mann wütend auf einen anderen eintrat, obwohl sie nicht sehen konnte, wer das Opfer war. Irgendjemand schrie vor Schmerz, dann rappelten sich plötzlich überall auf dem Feld Menschen auf - einige, um die Neuankömmlinge zu schlagen, andere, um sich in Sicherheit zu bringen.
Lu packte Ti und stand auf, dann drehte sie sich nach Dor um, aber er war fort. Mit vor Angst rasendem Herzen suchte sie nach ihm.
»AUFHÖREN!«
Ein Licht flammte auf, so hell, dass Lu nicht mehr richtig sehen konnte. Ti begann zu weinen.
»ES WIRD NICHT GEKÄMPFT!«
Die Stimme gehörte der Weißen. Langsam kehrte Lus Sehkraft zurück. Sie blinzelte heftig und hielt Ti dicht an sich gedrückt, während sie weiter nach ihrem Mann suchte. Etliche Krieger marschierten quer über das Feld und blafften Befehle.
»Die Pentadrianer nach links, die Zirkler nach rechts«, rief einer der Männer.
Sie trennen uns, schoss es ihr durch den Kopf. Wo ist...?
In diesem Moment löste sich Dor aus der Menge, das Gesicht dunkel von unterdrücktem Zorn. Sie eilte zu ihm hinüber und sah, wie seine Miene weicher wurde. Als er einen Arm um ihre Schultern legte, seufzte sie vor Erleichterung. Dann bemerkte sie das Blut auf seinen Knöcheln und sah ihn fragend an.
Er lächelte grimmig. »Ein Glückstreffer«, sagte er. »Danach bin ich nicht mehr nahe genug herangekommen. Die anderen hatten auch keinen Erfolg. Die meisten von ihnen sind Zauberer.«
»Zauberer?«, wiederholte sie.
»Ja.« Er seufzte. »Ich denke, die Weiße muss recht haben. Gewöhnliche Menschen mögen über einige wenige Gaben verfügen, aber doch nichts in dieser Art. Man hat uns überlistet, Lu.«
Lu blickte auf Ti hinab, deren kleines Gesicht sich zusammengezogen hatte, während sie mit Inbrunst weinte. Dann schaute sie zu der Menge der Neuankömmlinge hinüber - nein, der Pentadrianer -, die sich jetzt auf der anderen Seite des Felds niederließen. Sie spürte etwas in sich, das sie noch nie zuvor verspürt hatte.
Hass.
34
F esseln wurden gelöst und ein Wasserschlauch sowie ein Päckchen mit Essen überreicht. Sreil drehte sich zu Auraya um. Seine Sorge um sie und um den Priester, der allein im Kerker zurückblieb, war so stark, dass sie sie körperlich spüren konnte. Sie hielt seinem Blick stand und beobachtete, wie seine Gedanken zu jenen wanderten, die vor ihm nach Hause geflogen waren. Er nickte knapp, dann wandte er sich wieder um und sprang von dem Gebäude.
Während sie ihm nachsah, schlug eine Welle der Erleichterung über ihr zusammen. Er musste immer noch die lange Heimreise überleben, aber die Chancen, dass sie Sprecherin Sirri ohne schreckliche Schuldgefühle und Trauer würde gegenübertreten können, hatten sich verbessert. Sie wusste nicht,
Weitere Kostenlose Bücher