Das Zeitpendel
daß es richtig war, noch einmal hinzugehen und nachzusehen.
Es gab zwei mögliche Erklärungen für das Verschwinden der Fotoplatte.
Die eine war, daß das Mädchen am Samstag doch bemerkt hatte, daß jemand die Platte zerstört hatte. Dann mußte sie die Reste zu irgendeiner verantwortlichen Person gebracht haben. Die andere war, daß der Reinigungsdienst der Universität den Inhalt des Behälters zu den anderen Abfällen befördert hatte.
Beide Möglichkeiten waren aus der Sicht des Saboteurs ermutigend.
Wenn es das Mädchen gewesen war, so konnte sie wohl kaum Zebner erkannt haben, denn dann wäre die Polizei längst in seiner Wohnung aufgetaucht. Wenn es die Putzkolonne gewesen war, ergaben sich ohnehin keine Probleme.
Den Rest des Sonntags verbrachte der Außerirdische damit, sich mit diesen Überlegungen zu beruhigen.
Dieses positive Gefühl war mit einem Schlag weggewischt, als während der ersten Vorlesung am Montagmorgen der Englischdozent ihm einen verschlossenen Briefumschlag überreichte. Er öffnete ihn und las eine kurze Notiz von Dr. Lowery, in der er Mr. Zebner aufforderte, sich in der Mittagspause in seinem Privatbüro zu melden.
Etwas Ähnliches war noch nie geschehen.
Als der Rull dann das Büro betrat, sah er den steif dasitzenden Dr. Lowery und neben ihm die hübsche, im Augenblick etwas nervöse Studentin Eileen Davis. Sie besuchte nur zwei verschiedene Vorlesungen gemeinsam mit Zebner, und sie war ihm bisher stets ausgewichen.
Als der Rull seine ersten Erkundigungen über die Studentin eingezogen hatte, hatte er erfahren, daß sie in einer Studentenkommune lebte. Vom Chef der Kommune hatte er weiter gehört, daß sie gelegentlich mit Professor Lowery schlief, aber auch noch eine Reihe anderer Verhältnisse hatte, die das normale Maß überschritten.
Für sie selbst war das natürlich von erheblichem Vorteil. Anfangs hatte der Rull in Erwägung gezogen, das Bild dieses hübschen Mädchens anzunehmen, besonders als er merkte, daß sie ihn nicht mochte. Er hatte das jedoch schnell wieder vergessen, als er bemerkte, wieviele Verhältnisse sie hatte.
Eileen empfand in Wirklichkeit nichts für den Professor. Ihr Verhältnis war ein Teil der Maßnahmen der Kommune zum Vorteil der Mitglieder, die die Vorlesungen und Prüfungen des Physikdozenten zu bestehen hatten. Sie besorgte dadurch den anderen gute Noten, und sie erledigte diese Aufgabe, die kein anderes Mädchen erfüllen wollte, gern.
Jetzt war ihr Gesicht blaß, und sie blickte ohne Unterlaß zur Seite.
Lowery deutete dem Rull an, sich auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Tisches zu setzen. Von dort fixierte er den Professor und stellte fest, daß sich dieser sichtlich unwohl fühlte.
Der machte ein sehr ernstes Gesicht. Seine Unterlippe flatterte nervös. Er nahm einen Bleistift in die Hand, nicht etwa, um etwas zu notieren, sondern um Männchen auf ein Blatt zu malen. Er hielt den Stift dabei so ungeschickt wie ein kleines Kind.
Starke, regressive Tendenzen, überlegte der Rull. Er fühlte die Spannung, die in der Luft lag. Er war schon mehreren Menschen begegnet, die sich ähnlich verhalten hatten, und seine Erfahrungen mit diesen Menschen waren alles andere als gut gewesen.
Lowery verzog sein Gesicht, um sich zu sammeln.
»Mr. Zebner«, sagte er unvermutet, »eine wertvolle Fotoplatte ist am Samstag im Laboratorium zerstört worden. Miß Davis sagte, daß sie gesehen hat, daß sie es gewesen sind. Das ist eine sehr ernste Angelegenheit, und ich sehe mich gezwungen, die offiziellen Stellen zu informieren, es sei denn, Sie haben eine vernünftige Erklärung über die Vernichtung der Platte parat.«
Es war typisch für den halsstarrigen Narren, daß er die Katze direkt aus dem Sack ließ. Der Angriff war so direkt, daß sogar der Rull mit einer Antwort zögerte, obwohl er den ganzen Morgen über versucht hatte, sich auf die zu erwartende Situation einzustellen.
Erst nach einigen Momenten gab er seine vorbereitete Antwort. »Was soll ich getan haben?« fragte er.
Lowery wiederholte seine Anklage, und Eileen blickte rasch in eine andere Richtung. Ihre blassen Wangen bekamen wieder etwas Farbe, und sie schien plötzlich zu zweifeln.
Der Rull bemerkte das und sagte ruhig: »Aber, Sir, ich war am Samstag gar nicht in dem Gebäude.«
»Miß Davis sagt, sie habe Sie gesehen.«
»Das ist unmöglich«, antwortete Zebner mit dem Brustton der Überzeugung. »Ich bin sicher, daß ich beweisen kann, wo ich war, auch wenn es mir
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