Das Zeitpendel
Schiff, um eine Person über Jahrhunderte zu ernähren) und die vielen Decks mit den Maschinen, die ich warten und reparieren muß. Darüber empfinde ich Stolz.
»Beeil dich! Es ist sechs Minuten vor zwölf!« sagt das Schiff, und ich beeile mich jetzt.
Ich streife meinen Raumanzug ab, lege ihn in der Entstrahlungskammer ab und eile zur Folterkammer. Ich nenne sie so. In Wirklichkeit, so vermute ich, ist sie ein Teil der Maschinenanlagen von Unterdeck 10, ein Spezialraum, der mit elektrischen Geräten ausgestattet ist, von denen die meisten Prüfeinrichtungen sind. Ich benutze sie regelmäßig bei meiner Arbeit. Wenn ich mich recht erinnere, hat sie mein Urgroßvater für das Schiff eingerichtet.
In der Mitte steht ein großer Tisch, auf den ich klettere und mich hinlege. Der Tisch drückt kalt auf die Haut meines Körpers, aber dann wärmt er mich, während ich daliege. Es ist jetzt eine Minute vor zwölf. Während ich warte und erschaudere, senkt sich die Decke zu mir hinab. Ein Teil von dem, was da von oben kommt, streift sich über meinen Kopf, und ich fühle zwei feste Platten die sich auf die Schläfen pressen. Kalte Metallklammern kommen von oben und legen sich um meine Brust und die Hand- und Fußgelenke.
»Mach dich bereit!« befiehlt das Schiff.
Ich finde das stets gemein. Wie könnte ich jemals dazu bereit sein, mich foltern zu lassen? Ich hasse es! Das Schiff zählt: »Zehn … neun … acht … eins!«
Der erste Stromstoß trifft mich. Alles scheint in verschiedene Richtungen auseinanderfliegen zu wollen. Es ist ein Gefühl, als ob etwas meinen Körper im Innern zerreißt.
Vor meinen Augen wird alles schwarz, und ich vergesse alles. Eine Weile bin ich bewußtlos. Bevor ich mich erhole und ich fertig bin und das Schiff mir erlaubt, wieder meinen Pflichten nachzugehen, fällt mir etwas ein, an das ich schon oft gedacht habe. Kurz bevor mein Vater getötet wurde, hatte er gesagt:
»Wenn das Schiff bösartig sagt, meint es schlau. Es gibt achtundneunzig verschiedene Chancen.«
Er hatte die Worte sehr hastig ausgesprochen. Ich glaube, er wußte, daß er bald getötet werden würde. Nein, er mußte es gewußt haben, denn ich war fast vierzehn zu der Zeit, und als er vierzehn geworden war, hatte das Schiff seinen Vater getötet. Also mußte er es gewußt haben.
Seine Worte sind wichtig. Ich weiß, daß sie wichtig sind, auch wenn ich nicht weiß, was sie bedeuten. Zumindest nicht vollständig.
»Du bist fertig!« sagte das Schiff.
Ich steige von dem Tisch. Die Schmerzen dröhnen noch in meinem Kopf.
»Warum werde ich drei Tage früher als gewöhnlich gefoltert?« fragte ich das Schiff.
Das Schiff klingt verärgert. »Ich kann dich noch einmal foltern!«
Aber ich weiß, daß es das nicht tun wird. Etwas Neues wird geschehen, und das Schiff braucht mich dafür gesund und munter. Einmal, als ich das Schiff etwas Persönliches fragte, als ich gerade gefoltert wurde, hat es die Prozedur noch einmal wiederholt. Als ich erwachte, machte sich das Schiff Sorgen wegen der Maschinen. Es schien zu vermuten, daß ich verletzt worden wäre. Danach hat das Schiff mich niemals mehr zweimal hintereinander gefoltert. Ich stelle also die Frage noch einmal, obwohl ich nicht damit rechne, daß ich eine Antwort erhalte.
»Du sollst eine Reparatur durchführen!«
»Wo?« frage ich.
»Unten in der verbotenen Zone!«
Ich unterdrücke ein Lächeln. Ich hatte gewußt, daß etwas Neues geschehen würde, und das ist es. Die Worte meines Vaters fallen mir ein. Achtundneunzig verschiedene Chancen.
War das eine davon?
Ich gleite in die Dunkelheit hinab. In dem Antigrav-Schacht gibt es kein Licht. Das Schiff sagt, ich brauche kein Licht. Aber ich kenne die Wahrheit. Das Schiff will nicht, daß ich den Weg noch einmal finde. So tief unten bin ich noch nie im Schiff gewesen.
So gleite ich gleichmäßig und ruhig weiter. Nun komme ich an eine Stelle, wo ich abgebremst werde. Ich werde immer langsamer, und endlich berühren meine Füße festen Boden. Ich bin da.
Ein Licht geht an. Es ist ein schwacher, dämmriger Schein. Ich gehe in die Richtung des Lichtes, und ich fühle, wie das Schiff bei mir ist, in mir und um mir herum. Es ist immer bei mir, selbst wenn ich schlafe.
Das Leuchten wird heller, als der Gang einen Knick macht. Ich erkenne, daß es von einer runden Platte ausgeht, die den Weg versperrt und an allen Seiten oben und unten an die Trennwände angrenzt. Die Platte sieht aus wie Glas. Ich gehe darauf zu und
Weitere Kostenlose Bücher