Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
dunkelhaarig. Er hätte demnach Glück gebracht … Ich nicht.
Das konnte nicht Petes Ernst sein.
Bevor ich ins Bett ging, sah ich, dass der Anrufbeantworter blinkte. Seit drei Wochen brachte mich dieses Blinken jedes Mal fast um den Verstand. Die Sekunden der Hoffnung, die anschließende Enttäuschung, jedes Mal. Ich hatte schon Angst vor dem Ding, heute noch mehr als zuvor. Ein paar Minuten stand ich davor und wagte nicht, die Taste zu drücken, um mir die Nachricht anzuhören, obwohl ich mir sicher war, dass es nicht Sean war. Wieder nicht.
Es war Pete, der sich entschuldigte, so überreagiert zu haben, aber er sei nun mal mit den Nerven am Ende, und ich würde das sicher verstehen.
Er klang immer noch ungewohnt kühl.
Statt ins Bett ging ich in die Küche und machte eine Flasche Wein auf.
Ich trank sie ganz alleine aus. Zwischendurch beantwortete ich lustlos die SMS, die mir meine Familie gnädigerweise geschickt hatte. Dann schrieb ich eine an Seans Handy, auch wenn ich wusste, dass er sie nicht bekommen würde. Ich schrieb: »Sean, ich liebe dich. Bitte komm zurück. Frohes neues Jahr!«
Gegen sieben Uhr morgens schlief ich ein.
Das war mein Start ins neue Jahr. Alles Gute, Pippa. Es kann nur besser werden.
Auszug aus Philippa Murrays Tagebuch
Freitag, 2. 1. 2004
Pete ist ins Krankenhaus gekommen, er hatte so eine Art Schwächeanfall.
Er will mich nicht sehen. Er sagt, ich hätte ihm Unglück gebracht.
Für mich hört sich das verdächtig wirr an. Sagte ich auch der Ärztin. Natürlich bin ich ins Krankenhaus gefahren.
»Die psychische Belastung durch das Verschwinden seines Sohnes«, sagte sie. »Legt sich wieder. Er ist nicht besonders belastbar. Hinzu kommen die chronischen Leiden, die er aus der Zeche mitgenommen hat …«
»Nein, das meine ich nicht«, unterbrach ich. »Er entwickelt gerade so eine Art Aberglauben.«
Sie zuckte die Schultern. »Die meisten Menschen sind abergläubisch. Manche gehen jeden Sonntag in die Kirche. Für mich dasselbe.«
»Er war vorher nicht so.«
»Ich bin keine Psychologin, aber ich kann mir vorstellen, dass er jetzt irgendwas braucht, an das er sich klammert. Sie wissen schon: Wenn dasunddas eintritt, dann kommt mein Sohn ganz sicher zurück … Wenn ich drei Mal hintereinander ein rotes Auto sehe, dann passiert dies oder jenes … Gibt sich bestimmt. Machen Sie sich mal keine Sorgen.«
Dann verschwand sie. Hatte sie mich gefragt, wie es mir geht, seit Sean weg ist? Nein. Ich bin nur seine Freundin. Das ist nicht dasselbe wie Familie. Ich leide offiziell nur halb so sehr. Oder noch weniger.
Vielleicht ist das mit der Psychologin ein guter Hinweis … Könnte uns beiden guttun.
Bei der Vermisstenorganisation haben sie Adressen. Ich könnte diese Sophie anrufen.
Auszug aus Philippa Murrays Tagebuch
Samstag, 3. 1. 2004
Matt hat eine Homepage eingerichtet. Darauf sind mehrere Fotos von Sean, die ich ihm gegeben habe, Informationen zu seiner Person, letzter bekannter Aufenthaltsort, der Hinweis mit Glasgow und dass er eventuell nach New York unterwegs ist …
Ich habe die URL der Homepage an alle Leute geschickt, mit denen ich Mailkontakt habe, und sie gebeten, den Link weiterzuverbreiten. Ich habe den Link auch an die Polizei geschickt und an die Vermisstenorganisation. Meine Handynummer steht auf der Homepage, und Matt hat mir geraten, ein zweites Handy zu kaufen, das ich privat nutze, damit ich die wichtigen von den unwichtigen Anrufen unterscheiden kann. Aber was ist wichtiger als ein Hinweis darauf, wo Sean sein könnte? Und wie wichtig könnte wohl ein Anruf meiner Mutter sein? Nein, ich werde weiterhin regelmäßig die Mailbox abhören.
Es kommen immer noch Sexanrufe, erstaunlich, wie sehr ich mich daran gewöhnt habe. Vor zwei Wochen ist mir davon noch schlecht geworden, und ich habe mich aufgeregt. Aber jetzt – löschen und weiter. Und man lernt zu unterscheiden, mit welcher Intention die Menschen anrufen. Ich habe mich immer gefragt, wie die Polizei die Spinner aussortieren kann, jetzt weiß ich es. Man hört es, man spürt es. Ich habe mir Polizeiarbeit immer etwas, na ja, wissenschaftlicher vorgestellt.
Ich schicke den Link der Homepage auch an die Presse. Ich werde sie dort so lange nerven, bis sie mich ernst nehmen.
Obwohl ich nicht glaube, dass so eine Homepage irgendetwas bringt.
Aber ich muss ja was tun.
Matt hat mir außerdem den Link zu einem Forum geschickt, in dem sich die Angehörigen von vermissten Personen austauschen. Ich
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