Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
er hatte zu wenig Übung im sozialen Miteinander. Also sagte er: »Nein. Ich bin hier, weil du das Verschwinden dieser Frau bearbeitest, richtig? Diese Frau müssen wir finden. Und dann wissen wir, welche Verbindung es zwischen Lillian und diesem Sean gibt.«
Isobel hob die Augenbrauen. »Wir?«
»In gewisser Weise. Ja.«
Sie stand nun mit dem Rücken zu ihm und unternahm einen zweiten Versuch, sich Tee zu machen. Sie kochte das Wasser nicht noch einmal auf. Cedric dachte darüber nach, welche Stoffe sich wohl nicht richtig entfalten würden, wenn das Teewasser nicht heiß genug war, dachte an grünen Tee, bei dem das Wasser nicht kochen sollte, dachte an die Zubereitung von Kaffee und kam mit den Gedanken ganz vom Thema ab. Das passierte ihm öfter, schon immer eigentlich, aber seit er Tabletten nahm, schien es häufiger vorzukommen. Isobels Stimme holte ihn wieder zurück. »Warum wartest du nicht einfach ab, was die Kollegen herausfinden?«
»Ich brauche Klarheit«, sagte Cedric. »Ich weiß nicht, wie es bei mir weitergeht. Finanziell, beruflich … Wahrscheinlich werde ich alles erben, aber wie lange es dauert, bis das rechtskräftig wird, und was bis dahin ist – ich weiß es einfach nicht. Ich weiß nicht, was mit meinem Halbbruder ist, wer sich um ihn kümmern wird, welche gesundheitlichen Folgen seine Krankheit noch nach sich ziehen wird. Ich weiß nicht, wer meinen Vater ermordet hat. Und jetzt wurde meine Stiefmutter ermordet, und wieder weiß ich nicht, was es damit auf sich hat. Ich hätte gerne ein paar Antworten. Ich weiß so wenig über diese Frau …«
»Sie hat dich nicht interessiert.«
Er nickte. »Und sie hat sich mir entzogen. Ja.«
»Kommt ihre Mutter, um den Jungen zu holen?«, fragte Isobel. Sie pustete in die neue Tasse, wartete, bis der Tee sich etwas abgekühlt hatte, sah Cedric nicht an.
»Sie hat sich noch nicht gemeldet, aber ich gehe davon aus. Es gibt keine anderen Verwandten.«
»Es gibt dich.«
»Ich habe nichts mit ihm zu tun.«
»Ihr seid Brüder.«
»Ich könnte sein Vater sein, vom Alter her.« Er fühlte sich elend bei diesem Gedanken.
Jetzt sah sie ihn an. »Willst du eigentlich Kinder?«
»Nein.« Er hatte schon geantwortet, bevor sie ausgeredet hatte.
Sie lachte. »So sicher bist du dir? Oder hast du nur Angst vor dem Gedanken?«
»Ich glaube nicht, dass ich ein guter Vater wäre. Oder gute Gene weitergeben könnte.«
»Die Hälfte kommt von deiner Mutter. Und nicht alles von deinem Vater ist auf genetische Veranlagung zurückzuführen, sondern auch auf Sozialisation.«
»Von meiner Mutter habe ich …« Er zögerte. Kannte nicht das richtige Wort. »Das alles«, sagte er schließlich.
»Es muss nicht …«
»Isobel«, unterbrach er sie und kam nicht weiter.
»Was?«
»Ich muss wissen, wer Lillian umgebracht hat.«
Sie antwortete nichts, sah ihn nur abwartend an.
Er schwieg.
»Warum?« Als er Isobel vor drei Jahren als Student in St Andrews kennengelernt hatte, wirkte sie noch jung, unsicher, unerfahren. Sie machte Fehler, einer davon hätte sie ihr Leben und ihre Karriere kosten können. Isobel hatte ihn in seinen schwersten Zeiten erlebt, und sie kannte ihn besser als jeder andere. Besser noch als Ben, zu dem er trotz allem noch Distanz wahrte, vielleicht, weil er ein Mann war. Vielleicht, weil er nicht dabei gewesen war, als aus seinem Vater, dem er nie genügen konnte, dem er sich fremd fühlte, ein Albtraum wurde, der alles Menschliche verlor.
»Das ist doch offensichtlich, ich habe sie schließlich gefunden … sie war meine Stiefmutter«, sagte Cedric.
»Lüg mich nicht an. Warum bohrst du so herum, statt abzuwarten, was die Ermittlungen ergeben?«
»Weil ich glaube, dass ich der Nächste bin.«
Scottish Independent Online, 18. 2. 2004
Missglückte Geldübergabe endet mit Blutbad
Die Geldübergabe im Londoner Stadtteil Islington war generalstabsmäßig geplant – sowohl von den Erpressern als auch von der Polizei. Und doch ging alles schief. Zwei Menschen kamen ums Leben, eine Frau wurde schwer verletzt und schwebt noch in Lebensgefahr. Sie wurde mit dem Hubschrauber in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht und notoperiert, um anschließend in das private London Bridge Hospital verlegt zu werden, wo sie derzeit auf der Intensivstation behandelt wird.
Bei den beiden Toten handelt es sich um die mutmaßlichen Erpresser, Glenn B. (27) und Robert W. (30), beide aus Croydon. Wie die Polizei mitteilte, sollte es am Dienstag um 9 Uhr
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