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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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ähnlich betrüblichem Zustand befinden musste, wie sich seine Glieder anfühlten. Ein geknurrtes »Hör sofort mit diesem Gekreische auf, sonst gnade dir Gott!« schien Egin davon zu überzeugen, dass sein Herr noch im Besitz seiner Kräfte war und nicht auf der Schwelle des Todes stand.
    »Hab’s doch nur gut gemeint«, hörte Bandolf ihn hinter sich brummeln, als er in den dunklen Hof trat.
    Aus dem Verschlag neben der Scheune drang ein gedämpftes Scharren, doch ansonsten lag über seinem Heim schon nächtliches Schweigen. Nur Penelope, die Domkatze, thronte mit um sich geringeltem Schwanz auf der Türschwelle und schien ihn vorwurfsvoll anzustarren, als hätte sie bereits seit einer Ewigkeit auf ihn gewartet. Ohne
ihn aus den Augen zu lassen, riss Penelope ihr Mäulchen auf und gähnte.
    »Mein Weib hat dich wohl ausgesperrt?«, fragte er leise und warf einen Blick nach oben auf den geschlossenen Verschlag seiner Schlafkammer. Wohlweislich verzichtete er darauf, sich zu bücken und über das weiche Fell der Katze zu streichen, wie er es sonst zu tun pflegte.
    Da die offenbar erwartete Begrüßung ausfiel und der Burggraf den Brunnen in der Mitte des Hofes ansteuerte, ohne ihr die Tür zu öffnen, erhob sich die Katze und folgte ihm. Schnurrend strich sie Bandolf um die Beine, während er sich mit Gewinde und Eimer abmühte. Schließlich steckte er den Kopf ins kühle Nass. Prustend tauchte er wieder auf, und Penelope brachte sich mit einem Satz vor den spritzenden Tropfen in Sicherheit.
    Das Wasser brannte auf seiner geschundenen Haut. Bandolf stöhnte. Vorsichtig ließ er sich an den Brunnen gelehnt auf dem Boden nieder und streckte seine Beine aus. Eine Weile stierte er gedankenlos vor sich hin.
    »Um’s Haar hätte mir dieser Hundsfott heute den Garaus gemacht!«, sagte er plötzlich. Die Katze, die akribisch seine Stiefel beschnupperte, hob beim Klang seiner Stimme den Kopf.
    »Wären die Pilger nicht just des Weges gekommen, läge ich jetzt tot und kalt im Gebüsch. Und wie, zur Hölle, soll ich die Blessuren meinem Weib erklären?«
    Er seufzte. Die Katze schien aufmerksam zu lauschen.
    »Was meinst du«, fragte er sie, »war das rechtzeitige Auftauchen der Pilger womöglich ein Omen? Ein Fingerzeig des Herrn, den Dingen ihren Lauf zu lassen?«
    Penelope hatte sich schnuppernd bis zu seinem Oberschenkel vorgearbeitet und machte Anstalten, auf seinen Schoß zu klettern, just auf der Seite, wo der Dolch ihn verletzt hatte. Energisch schob er die Katze weg.

    »In der Botschaft des Bischofs war keine Rede vom bedauerlichen Hinscheiden Ulberts gewesen. Warum auch immer, scheint Seine Eminenz gewillt, den Tod des jungen Edelmanns auf sich beruhen zu lassen. Wäre es klüger, würde ich ebenso verfahren?«
    Penelope hatte ihn umrundet und versuchte ihr Glück auf der anderen Seite. Er ließ sie gewähren. Binnen kurzem hatte sie sich auf seinem Schoß eingerollt und war offenbar geneigt, die Nacht dort zu verbringen. Wie von selbst fand seine Hand den Weg zu ihrem weichen Fell.
    »Falls der junge König seiner Krankheit erliegt, ist es nicht mehr von Belang, ob ich Ulberts Mörder finde oder nicht. Ich habe mir Feinde am Hof gemacht, und sollten die Fürsten die Oberhand gewinnen, sind meine Tage als Burggraf in Worms ohnehin gezählt«, argumentierte er. »Warum also sollte ich mein Leben und das Auskommen der Meinen unnütz in Gefahr bringen?«
    Annalinde machte nicht den Eindruck, als wäre ihr an Gerechtigkeit für ihren Gatten gelegen. Sie schien Worms nur so schnell wie möglich den Rücken kehren zu wollen, um sich und ihren Sohn in die zweifelhafte Sicherheit des Flonheimer Gutes zu bringen.
    Beatrix von Teveno war im Hospiz der Nonnen in guter Obhut der Heilerin, und Arnold von Clemante hatte außerhalb der Stadt den Tod gefunden, was bedeutete, dass er in die Gerichtsbarkeit des Landgrafen fiel.
    Warum also stocherte er weiter wie ein Blinder im Heu herum, um einen Meuchler zu finden, den augenscheinlich niemand zu finden wünschte?
    Die Antwort kam von selbst. Zwei Leichen, nach deren Tod sonst offenkundig kein Hahn mehr krähen würde. Ein Dombruder, der nicht aufzufinden war. Und dann war da noch immer dieses vermaledeite Schriftstück, das jedem Verderben zu bringen schien, der damit in Berührung kam.
Ganz zu schweigen von jenem Hurensohn, der offenbar bestrebt war, Bandolfs Lebenslichtlein auszublasen.
    »Den möcht ich wohl am Galgen baumeln sehen«, knurrte er grimmig.
    Penelope sah auf. Ihre

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