Das zerbrochene Siegel - Roman
Stille im Raum ließ die Burggräfin stutzen. Fragend hob sie den Kopf und sah Eltrudis vorwurfsvollen Blick auf sich geheftet.
»Habt Ihr mir nicht zugehört?«
»Verzeiht«, murmelte Matthäa.
»Ich sagte soeben, dass der junge König sich augenscheinlich von seiner schweren Krankheit zu erholen beginnt«, wiederholte Eltrudis.
»Natürlich, Tante.« Matthäa riss sich zusammen. »Das ist eine gute Nachricht. Wer hat Euch davon erzählt?«
»Agnes vom Dannenberg, die Gute. Ich traf sie nach der Morgenmesse. Ihr Gatte betreibt Geschäfte mit dem Kloster Sankt Nazarius zu Lorsch, müsst Ihr wissen. Der Gehilfe des Cellerars hat gehört, dass Bischof Adalbero eine diesbezügliche Nachricht an seinen Vogt hier in Worms geschickt hat. Der Gehilfe hat es dem Pferdeknecht des Dannenbergers erzählt, und der Knecht hat es Agnes’ Magd berichtet.« Tadelnd fügte Eltrudis an: »Ihr wüsstet selbst davon, wärt Ihr nach der Messe nicht so rasch davongeeilt.«
Matthäa seufzte. »Es gab Arbeit für mich im Haus.«
»Wenn Ihr Euch und Eure Hörigen besser zu ordnen verstündet, könntet Ihr auch Euren Verpflichtungen außerhalb des Hauses besser nachkommen. Glaubt mir, meine Liebe, es ist wichtig, den Frauen von Stand in Eurer Umgebung gebührliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, wenn Ihr wollt, dass Euer Gemahl bei Hof etwas erreicht.«
Unwille kroch wie ein Geschwür durch Matthäas Magen und zog ihn zusammen. Besorgt, ihr könnten die ungehörigen Worte entschlüpfen, die ihr auf der Zunge lagen, senkte sie den Kopf.
Am besten, du hörst nicht hin, empfahl sie sich selbst und begann, aufs Geratewohl im Geiste einen Psalm zur Vesper aufzusagen. Glückselig der Mann, der den Herrn fürchtet …
»Agnes hat erzählt, der Bischof würde selbst in einigen Tagen in Worms eintreffen«, berichtete Eltrudis. »Es heißt …«
… er wird große Lust haben an seinen Geboten. Mächtig auf Erden wird sein Same sein; der Frommen Geschlecht … Ungewollt stieg ein Lachen in Matthäas Kehle. Sie gluckste.
»Was erheitert Euch daran?«, erkundigte sich Eltrudis.
Errötend hob Matthäa den Kopf.
»Nichts, Tante. Sprecht nur weiter.«
»Nun, wie Ihr wisst, beabsichtigt man bei Hof, das Osterfest
in Speyer zu begehen. Sollte König Heinrich zur rechten Zeit genesen, wird man in Worms Station machen. Agnes meint, Seine Eminenz wird dem Tross des Königs vorauseilen, um in der Bischofspfalz persönlich die Vorbereitungen für den Aufenthalt Seiner Hoheit zu überwachen.«
Aus dem Augenwinkel sah Matthäa, wie Werno, der Hausmeier, verblüfft die Augen aufriss. Und Bandolfs wortkarger Marschalk ließ sich zu der Frage hinreißen, ob Frau Eltrudis Bischof Adalbero je begegnet wäre?
»Nein. Warum fragst du?«, erkundigte sie sich.
Herwald murmelte, das hätte er auch nicht vermutet, bevor er wieder in die übliche Schweigsamkeit verfiel.
Für einen Moment runzelte Eltrudis irritiert die Stirn, dann wandte sie sich wieder Matthäa zu. »Natürlich wird in der Bischofspfalz ein Bankett zu Ehren des Königs stattfinden.«
Der Gedanke schien ihre Tante aufzumuntern, und Matthäa sank der Mut. Eltrudis’ nächste Worte bestätigten ihre bange Ahnung. »Mariamünster entspricht bedauerlicherweise in keiner Hinsicht meinen Erwartungen«, erklärte sie mit Nachdruck. »Dennoch dürft Ihr nicht befürchten, ich würde meine Pflicht vernachlässigen. Ihr müsst nicht glauben, ich wäre so selbstisch und würde Euch mit den Vorbereitungen zum Osterfest Euch selbst überlassen. Ihr werdet mir nicht verargen, wenn ich es ausspreche, aber …«
Bittere Galle stieg in Matthäa auf. Heilige Jungfrau, sie wird mich bis zum Jüngsten Gericht drangsalieren, fuhr es ihr durch den Kopf.
»… ich habe wohl bemerkt, dass Ihr noch immer der Unterweisung bedürft.« Eltrudis nickte bekräftigend, schob sich zwei Löffel Brei in den Mund, den sie geziert mit ihrem Ärmel abtupfte.
»So ist das also beschlossen«, erklärte sie. »Natürlich muss sich im Haus einiges ändern, da Ihr die Zügel habt
schießen lassen, mein Kind. Und vielleicht solltet Ihr auch Eurem Gatten einen Wink hinsichtlich seines Benehmens …«
Matthäa hörte nicht mehr zu. Ihr Zorn, den sie so lange aus Respekt vor der Älteren und den Geboten der Gastfreundschaft folgend, unterdrückt hatte, brach sich endlich Bahn. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, und hob den Kopf.
»Genug jetzt!«, rief sie. »Und ihr habt gewiss noch Arbeit draußen«, wies sie
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