Das zerbrochene Siegel - Roman
Vorstellungen ohnehin nicht entspricht, wären wir nicht gekränkt, wenn Ihr uns bald verlasst!«, sagte sie mit fester Stimme.
Sprachlos, mit offenem Mund und wütend blitzenden Augen starrte Eltrudis ihre Nichte an.
Matthäa rührte sich nicht.
Endlich schlug Eltrudis die Augen nieder und griff sich wie ermattet an die Stirn. »Mir wird ganz schwach«, hauchte sie mit ersterbender Stimme. »Eure rücksichtlosen Worte, die Ihr gewiss bedauert … Ich fühle meine Kräfte schwinden …« Sie verstummte.
»Es tut mir leid, falls meine Worte Euch gekränkt haben«, erwiderte Matthäa kühl. »Wenn Ihr Euch nicht wohlfühlt, dann legt Euch nieder. Auf meinen Arm müsst Ihr jedoch verzichten. Ich habe zu tun.« Sie raffte ihren Rock und rauschte mit tiefer Erleichterung im Herzen aus der Halle.
Zunächst drangen die Stimmen wie aus weiter Ferne an sein Ohr. Die Engel, fuhr es Bandolf durch den Kopf.
Dann wurden sie klarer, und der Burggraf versuchte, die Augen zu öffnen. Ein Licht stach schmerzhaft in seine Augen. Er blinzelte, machte die Augen wieder zu und drehte den Kopf von dem Ärgernis fort. Eine Bewegung, die er bitter bereute. Das Brennen in seinen Augen war nichts im Vergleich zum Schlagen des Hammers, der seinen Schädel als Amboss benutzte. Der Schmerz, der sich in seinem Körper fortsetzte, überzeugte Bandolf davon, dass er noch unter den Lebenden weilte. Was, zum Teufel, war mit ihm passiert?
»Seht doch nur, Flodoard, er kommt zu sich«, rief eine Stimme erfreut.
Flodoard gab unwirsch Antwort: »Das wurde auch Zeit. Inzwischen werden die Stadttore von Worms geschlossen sein. Und die Stiftsbrüder haben auch längst zu Abend gespeist. Wir werden unser Lager hungrig aufsuchen müssen.«
»Unsinn«, widersprach eine dritte Stimme. »Für Pilger haben die guten Brüder immer einen Kanten Brot und ein Schüsselchen mit Brei bereit.«
»Wenn Ihr Euch nur nicht irrt«, murrte Flodoard.
»Wie geht es Euch?«
Diese Frage schien Bandolf zu gelten. Widerwillig öffnete er die Augen und richtete sich ächzend auf. Fünf Männer, offenkundig Pilger, umringten ihn.
»Ich bin Meinward«, sagte der Mann, dessen Stimme Bandolf zuerst wahrgenommen hatte. »Meine Kumpane und ich kamen just den Weg von Speyer herauf, da hörten wir Gebrüll. Und als wir zu Hilfe eilten, fanden wir Euch hier liegen. Wie fühlt Ihr Euch?«
»Als wäre ein Ochsengespann über mich hinweggetrampelt«, erwiderte der Burggraf, während er über seinen Leib tastete. Auch wenn er eine Beule am Kopf hatte, so groß wie ein Hühnerei, und sein Körper überall schmerzte, konnte er sich bewegen und schien keine ernsthaften Verletzungen davongetragen zu haben. An seiner Seite hatte er eine Wunde, doch offenbar war sie nicht tief und hatte schon aufgehört zu bluten.
»So nah an der Stadt hätte ich keine Wegelagerer vermutet«, warf einer der anderen Männer ein. Er bot dem Burggrafen die Hand und zog ihn auf die Beine.
Schlagartig kehrte Bandolfs Erinnerung zurück. Jemand hatte ihn hinterrücks angegriffen und ihm einen Dolch an die Kehle gesetzt. Es war ihm gelungen, den Angreifer niederzuringen und ihm die Klinge aus der Hand zu schlagen. Und dann …?
»Der Dolch«, murmelte Bandolf. Mühsam zwang er seinen schmerzenden Körper wieder in die Knie und bat Meinward, mit seiner Lampe über den Boden zu leuchten. Unter den verdutzten Blicken der Pilger tastete der Burggraf mit beiden Händen um die Stelle herum, auf der er gelegen hatte,
konnte aber keinen Dolch finden. Dafür entdeckte er einen Ast, an dem Blut klebte. In seinem Kopf entstand das Bild seines Angreifers, der unter ihm lag und mit der Linken nach dem Ast tastete, während Bandolf seine Rechte niederzwang.
Zweifellos hatte ihm das Auftauchen der Pilgergruppe das Leben gerettet.
Der mürrische Flodoard behielt recht. Die Stadttore waren bereits geschlossen, als Bandolf und die Pilger das Stadttor erreichten. Nachdem der Wächter jedoch seinen Kommandanten unter der Gruppe entdeckt hatte, ließ er sie passieren. Da die Pilger zum Stift Sankt Martin wollten, um dort zu übernachten und vor der Reliquie des Heiligen zu beten, führte ihr Weg gemeinsam die Zwerchgasse entlang, bis der Burggraf sich an der Ecke zum Nazarigässchen von seinen Lebensrettern verabschiedete.
Egin roch verdächtig nach Vergorenem, als er seinem Herrn die Pforte öffnete, doch wenigstens war er wach. Seinen bestürzten Ausrufen und Fragen entnahm Bandolf, dass sein Äußeres sich in
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