Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Zimmer

Das Zimmer

Titel: Das Zimmer
Autoren: Andreas Maier
Vom Netzwerk:
und sagt, warum er denn das Tor aufmache, er fahre doch noch gar nicht weg. Ei ja, ich wollte doch nur den Wagen hinausfahren, sagt er. Sie: Aber dafür brauchst du doch nicht das Hoftor aufmachen. J. buckelt, beginnt zu zischeln, macht kleine Handbewegungen vor sich hin, als schlüge er gerade jemanden tot, und schließt das Hoftor wieder. Seine schlechte Laune hält an, bis er wieder beim Garagentor angelangt ist. Es ist eine zwar nicht große, aber außergewöhnlich lange Garage, dort haben zwei Autos hintereinander Platz, es hat aber immer nur eines darin gestanden, denn Onkel J. hat den Variant erst nach dem Tod seines Vaters bekommen. In dem Augenblick, da J. den Schlüssel ins Schloß des hölzernenGaragentors steckt, ist er bereits wieder verwandelt. Nun öffnet er sein Reich. Eben noch stand der Variant im Dunklen, nur beschienen vom kleinen Seitenfenster auf der Gartenseite der Garage, allein und abgestellt war er seit gestern, nun plötzlich wird es hell um ihn, und er guckt, rückwärts in der Garage stehend, mit SA-farbener Haube und kreisrunden Lichtern auf die Hofeinfahrt und die Uhlandstraße. Mein Onkel könnte nun einsteigen und ihn anlassen. Aber lieber zündet er sich zunächst noch geschäftig eine Zigarette an. Und er geht auch erst noch nach hinten und beschaut sich die Gartenwerkzeuge im rückseitigen Teil der Garage. Alles das empfindet er als sein Imperium, obgleich es nur ein Reich von Gnaden der anderen ist, der neuen Familie seiner Schwester. Ohne seinen Schwager hätte J. dieses Automobil nämlich gar nicht bekommen. Das Auto war nicht seinetwegen gekauft worden, sondern für den Haushalt meiner Großmutter, es machte J. zum Dienstboten der Familie und zum Chauffeur, aber das hat er, glaube ich, nie verstanden. Garage, Auto, er hielt das alles für seins, dabei führte er im Grunde bloß eine Bedienstetenexistenz, nicht auf Honorarbasis, sondern auf Autobasis. Aber weil er es nicht begriff, brachte er sich auch nicht um sein Glück. Er begriff auch nie, warum er nie ohne weiteres ins Forsthaus durfte, sondern immer erst noch das und das tun sollte. Die eigentliche Bestimmung des Variants warenJ.s Botengänge und nicht das Forsthaus Winterstein, zu dem er, wie ich glaube, aber auch gelaufen wäre, selbst wenn er dann drei Stunden unterwegs gewesen wäre. Früher hatte ihn sein Vater nicht von den Steinwerken im Automobil mit nach Bad Nauheim genommen, jetzt immerhin durfte er mit dem Auto zum Forsthaus Winterstein fahren, wenn auch zu seinem Preis.
    Die Gartengeräte hinten in der Garage, die Sense, die Gartenschere, alles eins a geschliffen, bei einem ganz hervorragenden Scherenschleifer, beim besten Scherenschleifer weit und breit. Und der Rasenmäher die allerneueste Maschine. Alles beste und erste Qualität. Selbst der Variant war fast neu, war ihm gesagt worden (sie kannten ihn ja). Die Farbe hatte er sich nicht selbst ausgesucht, aber niemand hätte eine bessere für ihn finden können. Als hätten sie von Natur aus zueinander kommen sollen, Onkel J. und sein Variant-Kombi, VW Typ 3. Sogar als Feuerwehrautomobil wurde der Variant verwendet. Leider nicht bei der Polizei. Aber dennoch dienstliche Einsätze. Fuhr ein Feuerwehrvariant an meinem Onkel vorbei, wenn er in seinem Variant saß, dann bekam er gleich eine ernste, offizielle Miene, eine Einsatzmiene. Auch er im Einsatz. Dann war er fast dasselbe mit seinem Auto wie der Feuerwehrvariant mit dem Feuerwehrmann darin. Schnell vor Ort. Nachdem er nun die Gartengeräte bestaunt hatwie beim ersten Mal und auch mit seinem Finger über die eine oder andere Klinge gefahren ist (was ihm, dem Schmerzunempfindlichen, von der Mutter streng verboten war, aus verständlichen Gründen; allerdings tippte er wie immer nur leicht darüber – er spürte ja nichts und auch nicht die Schärfe, gehorchte also dem Gesetz und tippte nur dezent), öffnet er die Tür des Wagens und steigt ein. Steigt ein, wie andere in die Bergwand oder die Mondrakete oder die Messerschmidt steigen. Nun sitzt er drin. Alle Armaturen kontrollieren! Alle Armaturen noch da. Tacho da. Drehzahlmesser da. Schaltknüppel, alles an seiner Stelle. Lenkrad noch nicht angreifen! Rückspiegel kontrollieren. Türe bereits geschlossen? Türe geschlossen! Auch die Uhr kontrollieren, Uhrenvergleich mit seiner Uhr am Handgelenk. Uhrzeit normal, Vergleich richtig. Alles ordnungsgemäß und einwandfrei und startbereit, sämtliche Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt und überprüft und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher